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Limnos, die aromatische Insel am Bosporus

„Nach Limnos fährst du“ fragt Frau Doktor, „super Insel, kannst du bitte herausfinden, wo`s da einen schönen Platz für unseren VW-Bus gibt?“ Klar doch, nicht nur Griechenland-affine Österreicher suchen stets ein neues noch nicht allzu überlaufenes Urlaubsziel, auch Griechinnen wie sie schätzen die Vielfalt an ihrer Heimat. Und Limnos spielt diesbezüglich in der Champions League mit.

Nicht, dass man die Insel unbedingt als Geheimtipp bezeichnen kann, die ersten Besucher kamen wohl schon in der Steinzeit an. Spätestens um 1200 vor unserer Zeitrechnung entstand dann eine erste Hochkultur, Spuren davon kann man noch heute an der Nordostküste bei der Ausgrabung von Poliochne bewundern. Die Stadt war seinerzeit immerhin doppelt so gross wie Troja gleich gegenüber in Kleinasien, ganz offensichtlich gab´s auf Lemnos eine Art demokratische Verwaltung, doch die oberste Instanz war weiblich, das Abbild der Göttin findet sich immer noch allenthalben. Die Argonauten, die hier zwangsläufig auf dem Weg nach Kolchis vorbeikamen, berichteten von einer „gynaikokratumene“, also Weiberherrschaft, aber auch, dass sie freundlich aufgenommen worden wären. Hat sich seither nicht geändert.

Wobei Limnos auch zeitgenössischen Besuchern alle Wünsche erfüllt, neben den zahlreichen kleinen Buchten mit hellen Sandstränden ist es vor Allem die riesige Bucht in der Mitte, die einen grandiosen Hafen abgibt. Ganz nebenbei führt das zur lustigen Situation, dass man manchmal nicht sicher ist, ob das Wasser die Insel umgibt oder es sich umgekehrt verhält. Immerhin ist Limnos, zumindest im Osten, so flach, dass man sich stets am Berg Athos orientieren kann, der ist mit 50 Seemeilen genau so weit entfernt wie der Eingang zu den Dardanellen und meist gut zu sehen. Was die Insel allzeit interessant für Seefahrer gemacht hat, von Odysseus über die Venezianer bis zu Winston Churchhill waren alle da. Letzterer musste hier allerdings seiner grössten Niederlage zusehen.

Genug der Geschichte, auch Genuss kann Limnos bieten. Wobei Oliven hier, ganz ungriechisch, nicht die Hauptrolle spielen. Die sind erst kürzlich wirklich hier angekommen, „bevor unsere Bäume genug Oliven getragen haben, wurde Öl meist aus Lesbos importiert, dort hatten sie immer mehr als genug“ schildert Tasis Laksridis. Mittlerweile produzieren er, seine Frau sowie „eineinhalb Mittarbeiter, weil ein Albabner nur das halbe Jahr bei ihnen arbeitet“ auf ihrer Ktima Olon eines der meist dekorierten Olivenöle überhaupt. Der Tauschhandel war nie ein Problem, Limnos konnten nämlich anbieten, was auf anderen Inseln besonders rar ist: Getreide! Und nicht nur Weizen, sondern auch Gerste, die ihren Weg auch vom anderen Ufer in Kleinasien nach Europa gefunden hat.

Neben dem bekannt köstlichen Weissbrot wird in der Bäckerei der Familie Poriaki in Portianou auch traditionelle Flomaria-Pasta sowie die haltbaren Paximadia hergestellt. „Diesen Zwieback nahmen früher Seeleuten und Schwammtauchern als haltbare Proviant mit, heutzutage exportieren wir diesen und die Pasta hauptsächlich aufs Festland“ erklärt Fotini Poriazi, die den 1919 gegründeten Laden heute schupft. Neben mehreren Hektar eigenen Anbauflächen liefern Vertragsbauern Mehl zu und stellen so sicher, dass die Landwirtschaft weiter für intakte Landschaft und Nahrungsautarkie sorgt. Also abgesehen vom Olivenöl halt.

Sonst gibt´s nämlich alles was Leib und Seele zusammenhält, zuvorderst natürlich Wein! Der ist – beinahe – autochthon, die Sorte Muscat von Alexandrien könnte eine der ersten gewesen sein, die in Europa kultiviert wurde, den Phöniziern sei´s gedankt. Nach Limnos haben sie aber wohl erst Seefahrer auf dem Heimweg aus Ägypten gebracht. Die Weinstöcke auf Limnos sind kaum kniehoch, so kann ihnen der stetige Wind weniger Feuchtigkeit entziehen, Ergebnis sind intensive, zuckerreiche Trauben. „Unser Name stand jahrhundertelang für Ouzo, aber Yiannis Boutaris, ein Freund meines Vaters und Pionier griechischen Qualitätsweins hat ihn eines besseren belehrt“ erzählt Juniorchefin Polixeni Chatzigeorgiou. Aus den, grösstenteils eigenen, Trauben werden nun hier neben trockenen und süssen Weissen auch Schaumweine gekeltert. „Den nenen wir, in Reverenz auf unser Vorbild Moscato d´Ifestia und hoffen, dass er mit jenem aus Asti mithalten kann“ steckt Polixeni sich hohe Ziele. Ungefähr 200 tausend Flaschen produziert man hier insgesammt, deutlich mehr als die Ktima Garalis oben im Hochtal von Aghios Dimitrios. Das verdankt seinen Namen eindeutig der Fruchtbarkeitsgöttin Dimitra, die Monotheisten haben allerdings eine göttliche Geschlechtsumwandlung vorgenommen.

Keinerlei widernatürlichen Eingriffe müssen sich die Weinstöcke hier oben gefallen lassen. „Wir produzieren ausschliesslich biologisch und ohne künstliche Bewässerung“ erklärt Manolis Garalis, „die Sorten Muscat und Limnio zeigen so schon seit ewigen Zeiten ganz hervorragende Ergebnisse“. Das Ergebnis sind geschmcksintensive Weine mit dezenten Noten von Zitrusfrüchten und Kräutern. Ausser sie sind auf der Schale zu Orange Weinen vergoren oder, wie schon von Homer beschrieben, ultratraditionell in der Amphore gereift. „Natürlich sind die dann eher was für Kenner und Liebhaber charaktervoller Weine. Genau wie die roten aus der Sorte Limnio gekelterten, die nachweislich schon in der Antike hier ausgepflanzt wurden, wenn man Hesiod und Aristoteles glauben mag“.

Und weil die biologische Landwirtschaft auf Limnos mittlerweile fast schon zum Standard geworden ist kann auch Niko Paterakis garantieren, dass seine Gewürze und Tees ohne Zusatzstoffe auskommen. Gleich ob Aesop, Johanniskraut, Thymian oder Griechischer Bergtee, Terroir, Sonne und sonst nichts ergeben phantastisch intensive Geschmackserlebnisse. „Man kann in der Sommerhitze kaum etwas erfrischenderes trinken, als mit Honig gesüssten, natürlichen griechischen Eistee“ sagt Niko, das dazu gereichte Getränk beweist das hinlänglich.

Womit wir quasi beim Desert dieser, fahrlässig unvollständigen, kulinarischen Inselrundfahrt wären: dem Honig! Klar, gibt´s auch überall in Griechenland, doch den limnischen muss ich unbedingt mitbringen, hat die beste aller Partnerinnen mir aufgetragen. Er ist hier leicht zu finden, bei der Imkerei Melichrysos direkt an der Haupstrasse nach Myrina etwa, wo man das edle Rohmaterial auch noch zu köstlichen Aufstrichen verfeinert. Die Gewinnung dagegen ist schon schwieriger, der stete Wind macht es den fleissigen Bienen nicht leicht, wieder in ihre Stöcke zu finden. Gerade dort, wo die gehaltvollsten Pollen zu finden sind, bläst´s besonders gerne heftig. Also hat man sich, offensichtlich schon vor vielen Generationen, an diesen Orten darum gekümmert, dass die sonst spärlichen Bäume und Schilfbüsche ordentlichen Schutz bieten.

So kann man schon von Weitem erkennen, wo die süssesten Blumen blühen. Zum Beispiel hinter den Dünen von Ammothines, den grotesken vulkanischen Steinformationen am Strand von Faraklo oder auf einer der flachen Halbinseln im Süden. Hierher hat es auch Spiros verschlagen, der nach fünfundzwanzig Jahren als Manager von einem Tag auf den anderen seine Sachen gepackt und sich aus Athen verabschiedet hat. „Es ist schon viel besser, auf der Insel zu leben“, meint er „als auf den vom Tourismus verwüsteten Insel oder gar in der Stadt. Nur leben unglücklicher Weise um ein paar tausend Menschen zu viel auf der Insel, als dass wir Unterstützung wie etwa den reduzierten Mehrwertsteuersatz von der Regierung erwarten dürfen“.

Was, speziell im Südosten von Limnos kaum nachzuvollziehen ist, so wenig Spuren von Zivilisation, wie man dort sieht. Herrlich, wenn man zu Besuch kommt, sicherlich nicht so einfach, wenn man dort sein Auskommen sucht. Die Schönheit freilich sehen sie selber auch, die Limnier. Und freuen sich, wenn sie´s teilen können. Ja, auch mit Wohnmobilfahrern, da hab ich mit Hilfe von Kikki Petrides schliesslich doch noch ein schönes Platzerl gefunden. „Schau mal rund um die Lagune von Aliki, da gibt es paar richtig feine Plätze hinterm Schilf. Und weil´s eben kein Meeresstrand ist, gilt dort auch das neue Gesetz gegen Wildcampen nicht.“ Während sich dort im Frühling Ornitologen rumdrücken gibt´s im Hochsommer freien Blick auf die limnischen Salzminen. Womit wir, ganz en passant, einen weiteren Schritt zur kulinarischen Unabhängigkeit der Insel gemacht hätten, dem Salz in der Suppe quasi. Wie gesagt, alles da, beinahe wie früher…

INFO

Anreise: Austrian fliegt ab 29. Juni jeden Sonntag um ab 145,- Euro nach Limnos und retour. http://www.austrian.com

Übersicht: http://www.visitgreece.gr/islands/north-aegean-islands/limnos/

Ktima Olon, erstklassiges Olivenöl und Gästebetten: http://www.ktimaolon.gr/en/

Bäckerei Familie Poriazi, Paximadi und Pasta: lemnosbakery.com/en/

Ktima Chatzigeorgiou, Wein still und sprudelnd: ktimachatzigeorgioulimnos.gr

Ktima Garalis, Wein, bio, orange, weiss und rot: garaliswinery.gr/en/

Dr. Nikos Paterakis Biokräuter, Thymian und Johanniskraut: aegeanorganics.com/en/home/

Imkerei Petrakis, Honig und süsse Aufstriche: melichrysos.eu/en/

Die Agentur Petrides Travel bietet neben Mietautos ab Flughafen auch Inselrundfahrten zu verschiedenen Themen an, Natur oder Geschichte etwa, alle im Text erwähnten Höhepunkte sind jene der Gourmet Safari! http://www.petridestravel.gr

Dieser Beitrag wurde am 2025/06/11 um 12:26 veröffentlicht. Er wurde unter griechenland, inseln, Limnos, SALZBURGER NACHRICHTEN abgelegt und ist mit , , , , , , , , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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