„Die Sendung beginnt um zweiundzwanzig Uhr, eineinhalb Stunden sollst du im Studio sein, der Journalist möchte alles mit dir durchgehen“, so hiess es noch am Nachmittag. Da war ich gerade von einem Lokalaugenschein in einem ausgesprochen gebrauchten Fischerboot aus der Lagune vcr dem Kap Rodonit, eine knappe Autostunde westlich von Tirana, zurückgekehrt und der Freund eines Freundes hat mir obige Infos zukommen lassen.
Ziel des Ausfluges war der Strand unterhalb eines geplanten Luxusdomizils, eine knappe Hand voll Ferienvillen sollen hier bald stehen, mit Pools und allem Pipapo, HighEnd und doch dezent. Mein Freund, Deutscher, und seine Frau, Albanerin, haben das Projekt ersonnen, seine Firma wird es mit ihrer Familie durchziehen, ich hab mir die Gegend schon mal angeschaut, schliesslich bin ich ja Reiseautor. Ausserdem war ich ohnehin grad am Weg von Triest nach Korfu in den Urlaub, da lag´s also nun wirklich direkt am Weg.
Einen Tag vor der Abreise erreicht mich ein Anruf, ich soll doch ein paar meiner Photos und einen kurzen Text über mich und meine Arbeit schicken, es gäbe da möglicherweise die Möglichkeit im Fernsehen eine kurze Meldung zu bringen, österreichischer Reisejournalist besucht Albanien, interessiert sich für ein edles Tourismusprojekt, wäre doch für alle Beteiligten interessant. Stimmt, auch wenn sich meine Leserschaft im Land der Skipetaren in Grenzen hält, aber: schaden kann´s nicht und dem Ego schmeichelt´s.
Hat also geklappt, der -einheimische- Freund des Freundes hat einen von seinen angerufen, der wird wohl was in der nächsten Regierung und hat einen Freund beim hippsten Privatsender, nicht viel anders als in Österreich also. Letzte Instruktionen noch, ich soll das Projekt erwähnen, wie wichtig gerade der Qualitätstourismus gerade in der Anfangsphase ist, darf aber auch durchaus meine Meinung sagen, was an der derzeitigen Struktur verbesserungsfähig ist. Die Ausstattung des Fremdenzimmers -dem einzigen weit und breit übrigens-, in welchem ich mich danach kurz auf entspanne, sammle und ein grobes Konzept für die Sendung zurechtlege, bietet dahingehend einige Inspiration, die Gastfreundschaft der Wirtsleute hingegen ist Weltspitze.
Abholung durch den einheimischen Freund um sieben, Dinner in einer stylishen Pizzeria im Zentrum von Tirana um acht, neue Direktiven während der Fahrt: das Projekt nur nebenbei erwähnen. Neues Konzept. Während des Essens -nur Salat, sonst kann ich womöglich wegen Müdigkeit mein Konzept nicht memorieren- präzisiert mein -deutscher- Freund die Direktive bezüglich des Projekts, ich möge es doch bitte gar nicht erwähnen. Konzept hinfällig.
Neun Uhr, Auftritt Dolmetscherin. Weiss sie konkretes über die Themen, soll ich mit ihr etwas besprechen? Nein, aber wir unterhalten uns über höchst interessante innenpolitische Themen, die werd ich sicher nicht ansprechen, sonst darf ich nie wieder kommen und die Genehmigungen für das Projekt werden womöglich gleich wieder auf Eis gelegt. Es kommt überhaupt keine Hektik auf, der -albanische- Freund telephoniert halbstündig mit dem Sender, kein Grund zur Eile, die Sendung beginnt ohnehin erst um elf.
Zehn Uhr dreissig: die Rechnung wird bestellt, die Wagen vorgefahren, die Frau des Freundes mit ihrem Neugeborenen nach Hause gebracht, kurz vor elf sind wir schliesslich am Weg zum Studio.
Kurz danach parken wir vor einem spärlich beleuchteten Gebäude in der Vorstadt, welches wie die Kulisse der Geheimdienstzentrale in einem indischen Spionagefilm aussieht, von Bond, James Bond ist aber nichts zu sehen. Dafür verlassen gerade hunderte Fliessbandarbeiter eine, ebenfalls dunkle und als Filmlocation geeignete Schuhfabrik nebenan, hier werden zu genanten Stundenlöhnen teure Markenschuhe „made in italy“ hergestellt. Die Vorarbeiter -sie sind tatsächlich made in italy- geniessen auf der Dachterrasse einer Café-Bar gegenüber Apperó und Cena, wir sollen hier warten, ich bestelle einen Gin & Tonic zwecks Entspannung, jetzt ist´s auch schon wurscht.
Meine Lippen haben das kühle Glas noch nicht berührt, „Martin, quick“, ereilt mich der Befehl zum Auftritt. Wir werden in die Geheimdienst-, sorry, Fernsehzentrale geschleust, zweiter Stock, langer Gang, Kabel, Maske, Technik, Studio. der Tonmann stellt sich vor, verkabelt mich. Ohrstecker? Ach so, klar, albanisch nix versteh´n. Ich werde Moderatorin und Moderator vorgestellt, er, so sagt man mir, ist einer der renommiertesten des Landes, schaut auch so aus, nur die Shorts passen nicht ins Bild, aber die sieht man ja eh nicht, später am Bildschirm.
Statt neunzig Minuten dauert die Vorbereitung nur neunzig Sekunden, schon bei den einführenden Höflichkeiten stelle ich fest: na bumm, die nehmen ihren Job ernst, haben doch glatt alle Infos von meiner Homepage gesaugt, nicht nur mein Exposé gelesen, Hochachtung und Dank! Man möchte mit mir, erstens, über Photographie unterhalten, zweitens über meine Arbeit, und, schliesslich, über meine Eindrücke von Albanien. Na gut, bei den ersten beiden Themen kann ich punkten, in Albanien bin ich aber gerade erst gute vierundzwanzig Stunden, war vorher zwar auch schon zwei mal da, bin aber eher durchgereist. Und meine einstudierten Ausführungen wurden ja am Nachmittag dem Bürokratischen Frieden geopfert. Bei der Gelegenheit bekomme ich auch schon mal einen ersten Eindruck vom Chaos, welches simultane Übersetzung aus einer total unverständlichen Sprache durchs Ohr ins Hirn einzuschleusen vermag, dass ich die Dolmetscherin nicht sehen kann hilft auch nicht, eher im Gegenteil.
Zehn Minuten Galgenfrist bis zu meinem Auftritt, während ich ins weisse Porzelangefäss starre unterhalten sich der Moderator und Vizepräsident Joe Biden direkt in meinem Ohr über die Lage in Palästina. Wow, hervorragender Vorredner, nur das Thema steht zu meinem vielleicht in einem etwas, nun, schrägen Kontrast. Aus der folgenden Überleitung entnehme ich dank des Lehnwortes „Reklama“ und der Erwähnung meines Namens, dass es ernst wird.
Den Inhalt der Begrüssung durch den nun neben mir freundlich in die Kamera sprechenden Moderator kann ich mir Ausmalen, der Originalton landet, genau wie die Übersetzung, in meinem linken Ohr, letztere etwas, nein viel leiser, dazu höre ich auch rechts Albanisch, verwirrend, gelinde gesagt. Dass mich der Moderator erst mal als Martin Schultz anspricht, was seine Kollegin rasch und gar nicht dezent korrigiert, ehrt mich durchaus.
Dann geht´s gleich weit zurück in die Vergangenheit, die Redaktion hat doch tatsächlich ein uraltes Zitat gefunden, mein Vater hat mir immer erklärt, auf einem Photo muss immer etwas Rotes drauf sein, ob ich mich noch immer daran halte? Nein, aber das gibt mir Gelegenheit, auf meine grosse Liebe, die Schwarzweiss Photographie zu sprechen zu kommen. Dass Homolka im tschechischen auch Spassvogel bedeuten kann, ob ich immer lustig sei? Ja! Ob Photographen generell immer gut gelaunt seien? Nein, ich kenne ettliche Beispiele für das Gegenteil. Dann werden ein paar Photos eingespielt, gar nicht schlecht, denk ich mir, und beschreibe, was drauf ist. Meist die Karibik oder Griechenland, aber auch das Bild von Elbasan haben sie gefunden, traumhafte Serpentinen aus einem Talkessel voller Fabriken herauf, so bringe ich auch noch meine Motorrad Manie zur Sprache, und, ja, ich will wieder auf zwei Rädern kommen.
Und nun zu Albanien. Ich bin hier, erkläre ich, weil ich meinen Lesern gerne neue Ziele näher bringen will, Länder die noch nicht in den Katalogen der grossen Veranstalter verramscht werden, die noch authentisch sind, wo Gastfreundschaft noch eine natürliche Eigenschaft und kein Geschäftsmodell sind. Auch dass es hier noch keine riesigen Hotelkomplexe gibt, sondern man auf Qualität setzt, nur gezielt Projekte realisiert, und zwar durchaus auch im Luxussegment, erwähne ich. Dezent.
Tags darauf erwarte ich, dass mich am Weg in den Süden Tankwarte und Kellner erkennen, doch leider, die zählen wohl nicht zur Zielgruppe der Sendung. Joe Biden kennen sie schliesslich auch nicht.