Es ist doch so: Santorin muss man gesehn haben, aber weil das Jeder weiss, ist´s meist ein rechtes Gfrett mit den Touristen. Ostern geht´s noch, aber dann kommen sie in Scharen, die Amis, die Touris und, besonders mühsam, die Kreuzis, Tausendschaften von Tagesgästen in ihren Schwimmenden Gemeindebauten. Da ziehen dann staunende Horden durch die Stadt, willenlos in Gruppen wie Schulklassen im Museum, einhändig filmend oder ständig Selfies mit der besten Freundin schiessend, wie Wachkomapatienten auf Extasy, das geht so von Mai bis Oktober.
Was also tun? Nun, am schönsten wär´s natürlich früh oder spät im Jahr das kariöse Eiland zu visitiren, doch wer kann schon derart frei über seine Zeit verfügen, abgesehen von den Superreichen, und die nehmen ohnehin Quartier in einer der exclusiven Luxushöhlen mit reichlich Privatsphäre und Schwimmtunnel vom Bad in den Infinitypool mit Calderablick.
Der Durchschnittsreisende wird sich glücklich schätzen dürfen, en passant der Insel einen Besuch abzustatten, Sommers, wenn er in der Nähe weilt, etwa weil der Flughafen ohne Unterlass von Charterfliegern aus aller Herren Länder angeflogen wird, und sich im Hafen die Fähren von und zu den Kykladen ein Stelldichein geben.
So ergibt sich ab und an die Gelegenheit, zwischen nautischer Ankunft und aeronautischer Abreise (oder vice versa) einen Tag auf der Insel der Heiligen Irene zu verbringen, welchen man auf keinen Fall als `verlorenen´ betrachten sollte. Aux contraire, wer die Chancen nutzt, die der Massentourismus als Nebeneffekt bietet, wird es geniessen.
Gleich nachdem die Fähre ihre hektische Ladung gelöscht hat gleich die Erste, ein Taxi zu ergattern versucht man besser erst gar nicht, trotz idiotischer Marktliberalisierungsversuche ist das Angebot immer noch knapp, recht so, sonst würden die Chauffeure im Winter wohl rasch an ihre Überziehungsrahmen stossen. Dafür ist das Angebot an Mietautos riesig, und weil Alle gleich mal hinauf auf den Kraterrand wollen, um in der Hauptstadt dann erst recht im Mietbüro zu landen, ist die Nachfrage im Hafen eher gering. Mit ein wenig Geduld macht man hingegen unten an der Mole gute Geschäfte, Retournierung am Flughafen kein Problem, und schon geht die Inselrunde los.
Vom Hafen, der wie ein Treppenabsatz über dem scheinbar endlos tiefen, dunklen Meer innen in den Vulkan gemauert wurde führen ettliche Serpentinen steil hoch bis man unvermittelt am Ortsrand von Megalochori in einenKreisverkehr und die schräge Hochebene kippt. Statt schroffen schwarzen Felsen bestimmt üppiges Grün das Bild, zumindest im Frühsommer, abgesehen von Häusern und Gehöften scheint´s hier nur Wein zu geben, nichts als Reben, niedrig zwar und die Reihen nicht so dicht geschlossen wie sonst wo, aber Durst wird man hier nicht leiden müssen.
Wem der Sinn nun nach einem kühlen Bade steht, der möge rasch gen Süden abzweigen, noch vor Emporio zweigt eine Strasse an die Küste ab, und dort findet man bei Vlychada noch Platz am Strand, Eros Beach zum Beispiel ist Vormittags nur spärlich besucht, erst wenn die Bar den Sound hochfährt wird es lebhaft, aber da sind wir ja schon wieder weg, oben in Episkopi Gonias etwa, beim Argyros Estate, wo seit 1903 beste Weine aus den typischen lokalen Sorten Athiri und Aidani zusammen mit dem hier prächtig gedeihenden Assyrtiko gekeltert werden. Seit Yianni, Enkel des Gründers Giorgos, in den neunzehnhudertsiebziger Jahren die Anbaufläche vergrössert und die Kellertechnik auf den modernsten Stand gebracht hat, gilt Argyros als Leitbetrieb auf der Insel. Mattheos, der den Betrieb nun in vierter Generation führt, versteht es, diese kombination aus Tradition und High Tec weiterzuführen, dazu hat er mit dem neuen Besucherzentrum eine schöne Möglichkeit geschaffen, die charakteristischen Weine auch in angemessener Atmosphäre zu verkosten.
Dass der Weinbau auf Santorin auf eine lange und von den klimatischen Gegebenheiten geprägte Geschichte zurückblickt kann man sehr anschaulich auch bei Santo Wines, der lokalen Genossenschaft in Pyrgos und dem Koutsoyannopoulos Weinmuseum in Vothonas sehen. Schon 1870 haben die Koutsoyannopoulos ihren Wein nach Odessa exportiert, damals ein ausgesprochen lohnender Markt, nicht nur weil das Schwarze Meer uraltes griechisches Sielungsgebiet ist. Auch heute noch hält man eine ganze Reihe von interessanten Weinen für den Export bereit, von den jungen, frischen weissen typischen Lavaweinen bis zum unglaublichen 1959er Vinsanto, dem Experten ein Lagerpotential bis „mindestens 2060“ zubilligen.
Die Santo Coop wiederum produziert mehrere DOP Weine der Sorten Assyrtiko und Nykteri, unterschiedlich alte süsse Vinsantos, einen wirklich trinkbaren Schaumwein, vertreibt aber auch landwirtschaftliche Produkte ihrer Mitglieder wie die Konserven von den geschmackvollen lokalen Tomaten, die seit 3500 Jahren auf dem trockenen Boden heimischen Fava Bohnen sowie die ebenfalls sehr speziellen und gesuchten Santorini Kapern.
Geniessen kann man diese Inselfrüchte in Form einer authentischen, modernen und ausgesprochen feinen Küche in Begleitung einer repräsentativen Weinauswahl im „Assyrtiko“ ganz comme il faut mit dem Atemberaubenden Caldera-Blick in der Hauptstadt. Dort drängen sich zwar überall auf den Terrassen an der Hauptverkehrsader die Voyeure, nicht jedoch im Assyrtiko. Das steht nämlich auf der `falschen´ Seite, während links die Schanigärten einladend ebenerdig auf den Dächern warten, verlangt das Restaurant vom Gast erst die Besteigung des Gebäudes, eine Anstrengung, welche die Meisten abschreckt. G_tt sei dank! So geniesst man den unvergleichlichen Blick auf diese einzigartige Kulisse beinahe privat, während die Mittagssonne gemächlich den Zenit hinter sich lässt und die weissen Häuser in warmes Licht taucht.
Die Wirtschaft der Stadt Thira scheint einzig und allein auf der intensiven Nutzung der melkbereiten Touristen zu beruhen, allerorten wird wertloser Tand feilgeboten, aber nicht nur, wir sind ja immerhin in Griechenland, und da hat man sich, nicht zu letzt nach den Erfahrungen in der sogenannten Krise, auf Traditionen und Werte besonnen. In Land- und Gastwirtschaft macht sich das überall bemerkbar, hier und jetzt auch in den Souvenirläden. Leicht zu übersehen zwischen all den Kitschbuden in seiner schlichten Eleganz wartet „Deli Art“ auf Kunden, welche Souvenirs suchen, die genau diese echte, auf Tradition und Qualität bedachte Seite des Landes lieben. Hier findet man ein breites Angebot greichischer Delikatessen, vom Öl aus allen Regionen über Mastiha Produkte bis zu Honig und feinen Konserven aus ganz Griechenland.
Den Gipfel der Genüsse erklimmt man aber auch ganz gemütlich auf der Domaine Sigalas ganz im Norden der Insel, dort wo sie bei Oia die Caldera zu umarmen scheint. Das tun übrigens auch reichlich Touristen, wenn sie den Sonnenuntergang bestaunen. Bei Sigalas gibt´s dazu noch eine feine Tasting Expierience, 6 der feinsten Tropfen zum 6gängigen Menü, katapliktiko! So, das hätten wir auch erledigt! Also hinunter auf den Flughafen, Auto abgeben, einchecken, warten. Halt! Erst Gepäck abgeben und Boarding Pass ziehen, danach bleibt ja erfahrungsgemäss immer noch zu viel Zeit, welche am Flughafen zu verbringen eigentlich schade wäre. Also Auto behalten, noch mal schnell weg, am Zaun entlang rund ums Gelände, bis, fast schon einmal rundherum, ein unscheinbares Strassenschild zur Gaia Winery weist. Gaia kommt vom Festland, gehört zu den Pionieren in Sachen biologischer Lebensmittel und hervorragenden natürlichen Weins, seit ein paar Jahren beschäftigt man sich auch mit den ganz speziellen Gegebenheiten auf der Vulkaninsel. Die Winzerei hat man in einer längst aufgelassenen Fabrik untergebracht, welche einst aus den süssen Tomaten geschmacksintensive Paste gemacht hat, wie sie heute noch von Kyknos massenweise in Supermarktregale geschlichtet wird.
Neben den architekturhistorisch wertvollen Produktionshallen wurde auch ein schattiges Plätzchen zum Verweilen und Kosten eingerichtet, eine hervorragende Location, um den schnatternden Charterpassagieren und dem spärlichen und clichehaften Weinangebot im Duty Free Bereich zu entgehen. Wie die Weine schmecken? Nun, darüber im Detail zu schreiben überlasse ich darin geübten Kollegen vom Schlage eines Nico Manessis etwa, schau da vielleicht mal rein Roland, dann kannst du der einsamen Claudia nach gewissenhafter Verkostung vielleicht ein bisserl Gesellschaft auf deiner Seite verschaffen. Aber nicht auf den Heimflug vergessen, es reicht aber wenn man sich auf den Weg macht sobald der Airbus in vertrauter Livreé zum Landeanflug ansetzt, man kann ihn gar nicht übersehen. Und vor dem Flughafen wird schon ein etwas nervöser Miarbeiter des Autoverleihers sehnsüchtig Ausschau halte, sogleich den Schlüssel übernehmen, praktisch, langwierige Parkplatzsuche entfällt so!