Einem Kontinent gleich liegt Kreta im südöstlichen Mittelmeer, eine gebirgige Landmasse zwischen den zahlreichen Inseln der Ägäis und der Nordafrikanischen Küste, doch die Namensgebende Krete war eine Tochter Europas. Dreihundert Kilometer beträgt die Entfernung dorthin, gleich etwa der Länge der Insel, nach Griechenland sind´s hundert, auch Asien liegt mit 175 Kilometern Entfernung nur eine Tagesreise entfernt, unter Segeln bei der richtigen Brise.
Aus dem Orient kamen auch die ersten Besucher, spätere Avancen aus dem Morgenland wurden da schon weit kritischer beurteilt, spätestens seit sich das Christentum etabliert hatte waren insbesonders Besuche muselmanischer Seemänner gar nicht gerne gesehen. Deshalb wandelten sich sonst als besonders friedliebend bekannte Mönche zu verbissenen Verteidigern kretischer Erde, das Kloster Toplou, lieblich mitten auf der östlichsten Halbinsel Kretas gelegen, spielte die Rolle eines Vorposten westlicher Zivilisation.
Das der Panagia Akrotiria, der Maria vom Kap, geweihte Kloster wurde wohl im vierzehnten Jahrhundert gegründet, bald darauf ausgerechnet von den Maltesern geplündert, die Mauern von einem Erdbeben schwer in Mitleidenschaft gezogen. Da unterstand Candia, wie sie die Insel nannten, schon der Hoheit der Venezianer; denen war die strategische Anlage einen nennenswerten Betrag wert, wohl haben sie auch die Kanonen springen lassen, dem das Kloster seinen Namen verdankt. Bald kamen die Osmanen, unterwarfen Kreta, und wunderten sich nicht schlecht über diese Mönche, die aus allen Rohren feuerten, `Moni Toplu´ heisst das Kloster seither, das mit der Kanone.
Warum Klöster genau dort stehen, wo sie eben stehen, versteht man hier schnell, an Wasser herrscht kein Mangel.In der sonst kargen Landschaft liegt der trutzige Bau inmitten üppigen Grüns, vor der Mauer spriessen Paradeisstauden und Mais, den Boden bedecken Melanzani, Zucchini und all das, was sonst noch die bekannt gesunde kretische Küche ausmacht. Rund um den eigenen Winzerhof versprechen weitläufige Weinberge reiche Ernte, eingerahmt von Olivenhainen, soweit das Auge reicht. An den Zäunen weisen handgemalte Schilder darauf hin, dass hier streng biologisch gewirtschaftet wird, schon seit langem, so dass das Öl des Klosters Toplou in aller Kenner Munde ist.
Ganz drüben im Osten fällt das Land zum Meer hin in den berühmten Strand von Vai ab, mit dem einzigen autochthonen Palmenhain Europas. Diese Traumdestination hat natürlich zwischenzeitlich das Interesse potenter Immobilienentwickler geweckt, die rasch mit dem Abt des Klosters als Repräsentant des Grundbesitzers handelseinig wurden. Eine weitläufige Ferien- und Golfanlage wollen sie hier errichten, doch da haben sie die Rechnung ohne die bekannt widerspenstigen Kreter gemacht. Die riefen eine Bürgerbewegung ins Leben, welche diese Pläne durchkreuzen will. Ihnen ist der status quo als natürlicher Lebensraum für Menschen, Tiere und Kulturpflanzen nämlich wichtiger, als der versprochene Geldregen.
Immer noch im candischen Orient, aber unten an der Südküste bei Ierapetra haben die einheimischen Bauern schon viel früher einen Kompromiss gefunden, der ihnen ein Auskommen ermöglicht hat, indem sie sich mit holländischer Hilfe ein regelmässiges Einkommen gesichert haben. Immer schon von den Früchten ihrer Arbeit und ihrer Erde in der einzigen nennenswerten Ebene an der Südküste abhängig, hatten die Bauern dieses, eher abgelegenen, Landstrichs das Problem, dass ihre Ernte immer länger bis zu den Märkten brauchte, als jene der Konkurrenz in der Nähe der Häfen im Norden. Da traf sich´s gut, dass gerade ein junger Agraringenieur Ausschau nach dem geeigneten Versuchsfeld für seine revolutionäre Entwicklung hielt. Paul Kuypers hatte in seiner Heimat Holland Landwirtschaft studiert, dem harschen Klima dort wollte er mit schnell zu errichtenden Gewächshäusern im grossen Stil Paroli bieten. Seine Idee wollte sich in den Niederlanden nicht recht durchsetzen, so dass er, Ironie der Geschichte, sein Glück wo anders suchte. Angekommen ist er schliesslich 1965 in Ierapetra, wo die Landwirte in der Gegend von Xyrokampos, wörtlich dem trockenen Feld, dem Boden abtrotzten, was der hergab, darunter auch kleine widerstandsfähige Paradeiser. Nach denen lechzte die eben entstehende Wohlstandsgesellschaft Nordeuropas, schnell waren die lokalen Landwirte von Kuypers´ Idee überzeugt. Nach Wasser bohrte man erst tiefe Brunnen, baute später Stauseen in den Bergen, die den Winterregen speicherten. Dank der sonnigen Lage am Libyschen Meer brachte man nicht nur reiche sondern auch frühe Ernte ein, reüssierte am Exportmarkt, der Bezirk Ierapetra ist immer noch der Einkommensstärkste ganz Griechenlands.
Ihre Dankbarkeit haben Kuypers Nutzniesser in Form eines kleinen Denkmals manifestiert, welches das Antlitz des pflügenden Holländers in Bronze zeigt, auf einer Marmorstele neben jener Kreuzung, an der Kuypers bei einem Autounfall 1971 ums Leben kam. Es ist immer mit Blumen geschmückt, aber nicht leicht zu finden, zwischen all den Gewächshäusern und Landwirtschaftsmaschinenhandlungen an der Ausfallsstrasse nach Mirtos. Am besten, Sie fragen in einem der kleinen Geschäfte, dann wird man ihnen nicht nur den rechten Weg weisen, sondern Sie wahrscheinlich auch auf einen Raki zu Ehren von Pavlos einladen, aus lauter Freude über einen Fremden, der die richtigen Fragen stellt.
Nach Norden raus aus der Stadt gelangt man in kürzester Zeit nach Agios Nikolaos, nirgendwo ist Kreta schmaler, ganze 13 Kilometer sind´s vom Libyschen Meer zur Mirabello Bay in der Ägäis. Was wie der Name einer Hotelanlage klingt ist tatsächlich eines der wichtigsten frühen Siedlungsgebiete der Minoer, die dort schon im dritten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung Metall verarbeiteten, später von Flut und Dorern bedroht auf höherem Niveau siedelten. Wobei feindliche Völker leichter zu besiegen waren als die Gewalten der Natur, Knossos hat sich ja bekanntlich recht plötzlich von seiner Bedeutung verabschiedet, die Kultur von Lato und Olous hat es erst gar nicht in die Shortlist historischer Reiseziele geschafft. Wenigstens Letztere zählt aber mittlerweile zu den absoluten Pflichtdestinationen, jedenfalls des Jet Set, der Schönen und Reichen, die Anderen bleiben oft schon in Agios Nikolaos hängen, auch nicht zu verachten.
Olous findet man natürlich auf keiner Karte und in keinem Katalog, es hört jetzt auf den Namen Elounda. Das kennt man, zumindest drei Hotels der obersten Kategorie meldet Googel sofort stolz als Suchergebnis. Die drei Hotels sind das Werk von Spyros Kokotos, wenn man ihn in der Beach Bar seinen Elliniko Kafé geniessend mit einem alten Freund Tabli spielen sieht, könnte man meinen, der sportliche ältere Herr würde hier nur einfach die Früchte seines Arbeitslebens geniessen. Stimmt ja auch, Herr Kokotos geniesst tatsächlich sein Lebenswerk, doch im Gegensatz zu anderen Gästen sitzt er mitten drin, das Resort Porto Elounda, zu dem nämliche Beach Bar gehört, hat er geschaffen, in Personalunion als Architekt und Hotelier. Und nicht nur dieses, auch das Peninsula mit seinen wegweisenden privaten Pools gehört dazu, gleich nebenan trohnt es auf der Halbinsel, das Mare weiter nördlich an der Küste ist auch seiner Vision zu verdanken. Und seiner Freundschaft zu Friedrich Flick die illustre Gästeschar, Filmstars, Industriekapitäne und gekrönte Häupter pflegen hier auszuspannen, natürlich in aller Diskretion.
Obgleich gebürtiger Athener ist Kokotos doch typisch für kretisches Entreperneurship, auch die Grecotel Kette hat hier ihren Ursprung. Mittlerweile zur Premiummarke der TUI geworden, die seit 30 Jahren auch als Miteigentümer firmiert, kann sich ihr Gründer Nikos Daskalantonakis um andere Dinge kümmern, als das banale Tagesgeschäft. Neben Aufsichtsratsjobs in seinen 60 Firmen ist das vor Allem die Agreco Farm, ein Vorzeigeprojekt in Sachen nachhaltiger Landwirtschaft und traditioneller Gastfreundschaft bei Adele im Hinterland seiner Heimatstadt Rethymnon. 2002 mit dem Ziel gegründet, seine Hotels mit authentischen, biologisch produzierten Lebensmitteln zu versorgen, hat sich die Farm zu einem Leitbetrieb entwickelt, der lokalen Bauern ökologische Anbau- und Zuchtmethoden näher bringt. Wenn man Farmmanager Dimitris Kalaitzidakis zuhört, wie er die vielfältigen Aktivitäten seines Ziehkindes schildert, wirkt seine Begeisterung ansteckend, die Qualität der eigenen Produkte bezeugt seine Statur. Nebenbei koordiniert er karitative Aktivitäten des Familienbetriebes, ausgemusterte Matratzen müssen in ein Kloster transportiert werden, welches Obdachlose beherbergt, für ein Fund-Raising-Dinner im Gemeindesaal organisiert er das Catering. Und weil die Farm auch den Gästen offen steht und eine Hochzeitsgesellschaft mit weit über Hundert Teilnehmern im Anmarsch ist, werden Terrasse und die kleine Kapelle festlich geschmückt, perfekt wie Alles, was man hier anpackt.
Genug der Aktivitäten, ab an den Strand, weit weg von Allem! Dafür eignet sich der Südwesten Kretas ganz vorzüglich, dort findet man immer noch den Griechanlandurlaub seiner Jugend wieder. Polydoros Markoulakis nennt seinen Heimatort einen Geheimtipp, den jeder kennt, in Wien aufgewachsen und in London ausgebildet hat er dort kaum jemanden getroffen, der noch nicht von Palaiochora gehört hätte. Im Hotel der Familie tummeln sich demnach auch jede Menge Stammgäste, die teilweise schon vor Polydoros´ Geburt hier die Seele baumeln liessen. Am Strand liegend verstellt keine Insel mehr den Blick auf den Horizont, man ahnt den nächsten Kontinent, wer dem Trubel entkommen will findet wenige Kilometer Landeinwärts in Anidri seine Ruhe. In der ehemaligen Dorfschule hat sich eine Taverne häuslich eingerichtet, unter der grossen Platane auf der Terrasse serviert man ganz vorzügliche kretische Küche, klassisch und doch neu, mit dem gewissen Etwas zeitgeistig verfeinert.
Bei allem Lokalpatriotismus empfiehlt Polydoros dann doch noch einen kleinen Ausflug an einen anderen Strand, kein wirklicher Geheimtipp mehr, seit vermehrt Photos in Zeitschriften rund um den Globus veröffentlicht wurden, wenn es um die Top-Ten-Beaches geht. Elaphonisi, die Hirschinsel, liegt nur von einer seichten Bucht vom Festland getrennt vor der Westküste, strahlend heller Sand ergibt mit den exotischen Blautönen des kristallklaren Meeres ein paradiesisches Traumbild des idealen Strandes. Da kommt nicht mal die Karibik mit!