Zur klassischen Urlaubsdestination fehlt dem Land der Skipetaren noch so manches, ein Straßennetz etwa, welches diese Bezeichnung auch verdient. Und eine Anbindung desselben an jenes Europas, die werden die Albaner allerdings nicht aus eigener Kraft herstellen können, es scheint vielmehr so, als hätten die Nachbarstaaten kein Interesse an allzu intensiven Kontakten.
Von Montenegro kommend reisen wir, einem Insidertipp folgend, über Sukobin ein, einem Grenzübergang ganz im Nordwesten, malerisch versteckt in den Bergen zwischen der Mittelmeerküste und dem Skutarisee gelegen. Dort kommt man, nach Auskunft unseres Gewährsmannes, dank gemeinsamer Kontrolle durch die Grenz- und Zollschützer der beiden Anrainerstaaten rascher ins Land als an allen anderen Übertrittsstellen. Was sich als durchaus zutreffend erweist, gemeinsam versuchen die Beamten vermeintliche Schmuggler zu erschnüffeln, wobei repräsentative Kraftfahrzeuge und die Dokumente der Passagiere intensiver und schon im Vorfeld untersucht werden. Unser klassizistischer Saab passt da gar nicht ins Fahndungsmuster, nach einem kurzen aber scharfen Blick in die Fahrzeugpapiere und Scanning der Pässe entlässt man uns auf der angeblichen Europafernstraße E851in die fruchtbare Ebene der Drin, in welche ein wenig stromaufwärts auch gleich die Buna mündet, welche ihrerseits den Shkodrasee entwässert. In der Mündung sieben archaisch wirkende hölzerne Reusen Treibgut und Fische aus, bei Flut wirkt es fast so, als würden sie auch unerwünschte maritime Besucher aus der Adria am Eindringen ins Landesinnere hindern wollen.
Über dem Zusammenfluss thront auf dem Burghügel die mächtige Festung von Shkoder, den hat man schon in der Antike besiedelt, auf 2400 Jahre Geschichte blickt die Stadt immerhin zurück, noch mal eineinhalb Jahrtausende davor in der Bronzezeit dürften sich Illyrer als erste Siedler in der Bronzezeit hier niedergelassen haben. Sie befestigten den Ort, bauten ihn zur Residenzstadt für ein beeindruckendes Reich aus, ihre Königinnen und Könige sind auf Silbermünzen zu bestaunen, beschriftet in Griechischer Sprache. Es folgte eine regionaltypische Abfolge von Eroberungen durch Römer, Slawen, Venezianer und Osmanen, Österreich-Ungarn versuchte seinen Einfluss im 19. Jhdt. durch Finanzierung eines von Franziskanern betriebenen Klosters samt Schule zu sichern, das ältere Jesuitenseminar war jedoch bei der Bevölkerung weitaus beliebter, genau wie die italienischen Schulen. Die Stadt entzog sich jedenfalls konsequent dem bestimmenden Einfluss nur einer fremden Macht, bediente sich aber gerne mitgebrachter Neuerungen, hier erschien die erste Zeitung Albaniens, auch das erste Photo wurde in Shkodra geschossen, von einem italienischen Photographen, der als Unterstützer Garibaldis von den Österreichern in seiner Heimatstadt Piacenza verfolgt hierher geflüchtet war, auch die Unabhängigkeitsbewegung um 1900 sowie der Aufstand gegen die kommunistische Diktatur hatten in Shkodra ihren Ursprung.
Den Rang als Albaniens bedeutendste Stadt hat Shkodra inzwischen längst Tirana abgeknöpft, 1920 auf dem Kongress von Lushna von Vertretern des ganzen Landes zur Hauptstadt erkoren, nachdem diese verhindert hatten, dass Albanien nach dem Ersten und dem Balkankrieg zwischen Jugoslawien und Griechenland aufgeteilt wurde. Unter Ministerpräsident Ahmed Zogu, der sich selbst mit Waffengewalt vom Innenminister in diesen Posten und später sogar zum König der Albaner befördert hatte, wurde Tirana mit italienischer Hilfe prächtig ausgebaut, samt Palast und einer Reihe von wirklich adretten öffentlichen und Wohngebäuden im Stil des mediterranen Rationalismus errichtet. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde spektakulär-totalitär gebaut, Enver Hoxha, der sich nie zwischen Titoismus, Marxismus, Leninismus, Stalinismus und Maoismus entscheiden konnte ließ eine Reihe von bildungs- und Kultureinrichtungen, wie etwa das Opernhaus und die Universität, sowie klassisch sozialistische Wohnsiedlungen und Fabriksanlagen errichten. Nach seinem und dem Sturz seiner Statue am Skanderbeg Platz 1991 wurde wieder gebaut, völlig ungeplant und illegal diesmal, viele der Schwarzbauten sind inzwischen wieder abgerissen, der stets extravagant gekleidete nunmehrige Staatspräsident Edi Rama hat da als Bürgermeister offensichtlich ganze Arbeit geleistet. Bei unserem letzten Besuch vor vier Jahren erinnerte die Stadt an ein Mahnmal für die Zügellosigkeit des den Kommunismus ablösenden Neoliberalismus ohne Skrupel.
Die inzwischen zahlreichen Angehörigen der gehobenen Mittelschicht schauen sich bereits nach angemessenen Wochenend- und Urlaubsdomizilen um, derzeit hauptsächlich an der Küste im Süden, dabei böte sich doch ganz in der Nähe eine im Dornröschenschlaf liegende Halbinsel als Refugium an. Das Kap Rodonit ragt als Speerspitze weit hinaus in die Adria, zehn Kilometer etwa ist der Beglücken lang, der seit jeher als Wachposten genutzt wurde, noch jede Macht hat von hier den weiten Golf von Dürres und die Lagune von Patokuk kontrolliert und verteidigt, über die der Zugang ins Landesinnere und weiter auf den Balkan erfolgt.
Erst vor zwei Jahren wurde die erste befestigte Straße errichtet, die touristischen Angebote sind noch äußerst spärlich, eigentlich ist der Plural überhaupt nicht angebracht, nur ein einziger Beherbergungsbetrieb findet sich in der Region. In Shetaj hat ein aus Italien zurückgekehrter Wirtschaftsflüchtling zwei Gästezimmer eingerichtet, ganz nach seinen persönlichen Erwartungen an eine Unterkunft unterwegs, schlicht und sauber. In ihrer unbeholfenen aber herzlichen Gastfreundschaft kann man die Menschen hier am Land nur gern haben, an die unterschiedlich hohen Treppen, grellen Energiesparlampen und rasch zusammengezimmerten Möbel gewöhnt man sich, und wenn der Figlio unten in der Bar an der Straße zum Frühstück erstklassigen Italienischen Espresso serviert ist der Tag sowieso schon gerettet.
A propos Fremdsprachen: neben Italien ist Griechenland das wichtigste Diasporaland der Albaner, dementsprechend leicht kann man sich mit diesen beiden Sprachen verständlich machen (Platz 3. und 4. übrigens: Englisch und Deutsch, falls Sie sich schon gesorgt haben). So fühlt man sich also auch ziemlich heimisch am Plazhi San Pietro, dem Strand von Fushe-Draci, dort, wo sich die Halbinsel aus der Ebene abstößt. Faktion hat fünfzehn Jahre in einem Ausflugslokal in der Nähe von Athen gekellnert, Antonio in Cosenza, da braucht man keine Angst vor dem Service haben. Vor der Küche übrigens auch nicht, ganz wie bei den Nachbarn, beste Strandtavernenqualität, und er Fisch zappelt fast noch in der Pfanne. Vom Preis wollen wir erst gar nicht reden, zahlt sich gar nicht aus, nur Bargeld sollte man unbedingt dabei haben, sonst übersteigen die Kreditkartengebühren die Zeche.
Wie so oft werden auch am Kap Rodonit als Erste anspruchsvolle Klienten die einzigartige Lage, Abgeschiedenheit und Exklusivität genießen können. Eine renommierte Familie aus Tirana, Universitätsprofessor und Künstler er, Architektin sie, haben schon das schönste Stück Land auf Kodra e Gate, dem „langen Hügel“ erworben, Genehmigungen eingeholt, und werden demnächst mit dem Bau einer ziemlich luxuriösen Villenanlage beginnen.
Nein, nicht so ein unpersönlicher Riesenkomplex für russische Neureiche, eher zurückhaltend, schlicht, modern. Nur durch einen dichten, niedrigen Urwald vom Meer getrennt entstehen eine knappe Hand voll Refugien, ergänzt durch ein kleines Restaurant und ein Hauptgebäude, in dem auch einige Hotelzimmer untergebracht werden sollen, interessant, falls unerwartet Gäste auftauchen oder Sie erst mal probewohnen wollen.
Wer hingegen einen Betrag ab einer knappen Million locker macht kann sich aber auch gleich sein Traumhaus sichern, samt eigenem Pool und unverbaubarer Aussicht auf ein Naturschutzgebiet.
Denn der Wald vor dem Haus ist geschützt, auf Wunsch der Weltbank, die hat das als Sicherheit für einen Entwicklungshilfekredit an die Region als Sicherheit verlangt, man will ja den Wert seines Investments geschützt wissen. Durch das Wäldchen führt ein schmaler Weg hinunter an den Strand, dort ist man weitgehend ungestört, andere Zugänge gibt es nämlich nicht. Nur draußen in der Lagune ziehen die flachen Pirogen vorbei, mit denen die Fischer ihre Reusen inspizieren. Die krummen Stangen, zwischen denen in der weiten, seichten Bucht die Netze an faserigen Seilen gespannt sind wirken, als hätte sich die Fischerei hier seit Urzeiten nicht verändert, wozu auch, meist zappelt reichlich Beute in den fallen. Doch nicht nur Fischlein fühlen sich hier wohl, die geschützte Lage und geringe Wassertiefe bescheren -fast- ganzjährige Badewannentemperatur, da braucht man sich auch spät im Herbst nicht in den Pool flüchten.
Im Schutze des vorgelagerten Felsen, ganz vorne am Kap, steht noch immer jene Festung, welche der Vater des albanischen Freiheitshelden Fürst Gjergej Kastrioti, der legendäre Skanderbeg, errichten ließ, beziehungsweise das, was nach der Einnahme durch Osmanen und Rückeroberung durch die Venezianer davon überblieb. Das ist gar nicht mal so wenig, massives Mauerwerk, im Gegensatz zum Kloster des Ordens der minderen Brüder und ihrer Schwestern, von dem nur noch spärliche Reste, immerhin aber auch eine Shen Ndoit, vulgo San Antonio gewidmete, zuletzt im 15. Jhdt. im römisch-gotischen Stil wieder aufgebaute Kirche. Bei unserem Besuch planschten am Strand direkt davor zahlreiche Jugendliche unter der strengen Aufsicht barmherziger Damen, deren Kleidung unmissverständlich an jene der Anjezë Gonxha Bojaxhiu erinnert. Sollte bei Ihnen jetzt nicht gleich eine Glocke klingeln, es handelt sich hierbei um den Geburtsnamen der späteren Nobelpreisträgerin Mutter Teresa, der Tag ihrer Seligsprechung wird in Albanien als Nationalfeiertag begangen, auch wenn sie tatsächlich in Skopje geboren worden war.
Beschützt wird der Strand von einer arg verfallenen Mole, einst lagen an ihr vertäut Kanonenboote der Marine, auch die in die Felsen gehauenen Höhlen und Bunker erinnern noch an die geradezu groteske Paranoia des Hodha Staates. Der größte Teil der einst das ganze Land säumenden Bunker, welche wie Pickel an Berghängen und Stränden die Staatsgrenze markierten, wurden mittlerweile abgeräumt, G-ttseidank lockte der darin verbaute Armierstahl beziehungsweise dessen Schwarzmarktpreis fleißige, freischaffende Abbruchunternehmer an. Auch die Tage des Piers am Kap Rodonit dürften gezählt sein, im Zuge des Projektes 41n19e planen die Betreiber auch einen standesgemäßen Anlegeplatz zu errichten, bei der Gelegenheit wird wohl auch ein schöner Badeplatz für die Englischen Fräulein, Lorettoschwestern und den ihnen anvertrauten Kindern Gottes rausspringen.