Der Anflug auf den Airport Kittilä gestaltet sich dramatisch, nach vier Stunden Flug gegen den Wind sinken wir durch dichten Nebel, erst etwa hundert Meter über dem spärlich bestandenen Föhrenwald erkennt man so etwas wie eine Landschaft. Dichtes Schneetreiben lässt einen an Szenen aus einem -schlechten- Katastrophenfilm denken, so schauen in der Phantasie zweitklassiger Regisseure die Momente vor einer Bruchlandung in der Tundra aus. Einige Minuten gleiten wir auf gleicher Höhe dahin, bis plötzlich die Triebwerke aufheulen, der Kapitän die Nase des Airbus überraschend steil in den bleichen Himmel richtet und einen, auch für den Vielflieger ungewohnten, rasanten Steigflug einleitet.
Nach ratlosen Minuten schliesslich die erklärende Durchsage: “ das Wetter ist zu schlecht, wir haben die Piste nicht gesehen. Jetzt fliegen wir mal eine Warteschleife, in 30 Minuten probieren wir es wieder.“ Genau so kommt es dann auch, eine halbe Stunde später das gleiche Schauspiel, nur diesmal ist wohl jeder Passagier erleichtert, als wieder das bekannte Durchstartmanöver erfolgt, nun sind nämlich überhaupt keine Konturen mehr auszumachen. Die nächsten Versuche erfolgen schon in etwas kürzeren Intervallen, beim letzten Anflug erkennt man sogar schon Details und wir setzen tatsächlich am Flugfeld von Kittilä im kontrastarmen Lappland auf.
So oder so ähnlich hat man sich das ja erwartet, im hohen Norden von Finnland, kalt, unwirtlich und dunkel. Wobei: so dunkel ist es gar nicht, fast schon 18 Uhr und trotz der dichten Wolkendecke erkennt man problemlos die Gebäude des Flughafens, vom flach geduckten Terminal über den in die Erde geschobenen Bunker für die Luftwaffen-Saabs bis zum Lokal des Schneemobilverleihs und Servicestützpunkt gleich neben der Ankunft. Keine schlechte Idee, zur Tag-und-Nacht-Gleiche anzureisen, da kann sich auch die eher Reizarme Landschaft auf den 15 Kilometern Busfahrt in den bekannten Wintersportort Levi noch in Szene setzen.
Den es übrigens gar nicht gibt. Sirkka heisst die Gemeinde nämlich korrekt, die sich da mit ihren weitläufigen Siedlungen um jenen Bergrücken erstreckt, der sich da baumlos nur ein wenig über 500 Meter aus der Ebene erhebt und nach seiner höchsten Erhebung, eben dem Levi Levitunturi heisst. Marketingmässig sicher klug, den kurzen, einprägsamen Levi als Taufpaten und Marke zu verwenden, schliesslich hat man hier offensichtlich eine beträchtliche Summe Geldes in ein veritables Wintersportresort investiert. Man kann das Schigebiet aus allen Himmelsrichtungen in Angriff nehmen, ganz neu sind die Lifte des South Resort hinzugekommen, wir nehmen Quartier an jenem Ort, den Google Earth auswirft, wenn man Levi eingibt, dort starten die Lifte am Zero Point, dem offensichtlichen Nabel der Winterwunderwelt.
Ein historisches Zentrum sucht man vergeblich, stattdessen findet man sich in einem fein säuberlich angelegten Ferienort modernster Prägung, dank skandinavischer Geschmackssicherheit ohne jene aus Österreich bekannten Bausünden. Auch die Dominanz des Autos hat man hier zurückgestutzt, von den meisten Hotels und Ferienwohnungen kann man locker zu Fuss zum Lift gehen, selbst in Schischuhen. Und weil´s hier für gewöhnlich von Oktober bis Ende April kalt ist, und zwar wirklich kalt, werden Strassen und Wege erst gar nicht geräumt, sondern quasi präpariert, was auch akustisch ein ruhiges Ortsbild ergibt. Da der alpine Wintersport jetzt nicht unbedingt den USP von Levi darstellt reichen auch die Langlaufloipen bis ins Zentrum, darüber hinaus kommt man problemlos mit dem Motorschlitten an sein Quartier heran, für viele hier bei einer Jahresdurchschnittstemperatur von unter minus 1 Grad Celsius logischerweise das bevorzugte Verkehrsmittel oder Sportgerät für gut die Hälfte des Jahres.
Gerne bewegt man sich in Levi auch elektrisch vorwärts, die, auch als Queen of Levi apostrophierte, Eigentümerin des Hotel Hullu Poro etwa verkehrt zwischen ihren das Ortsbild prägenden Betrieben auf den schneegedämmten Strassen geradezu geräuschlos mit einem schneeweissen Tesla. Die, angesichts der tiefen Temperaturen häufig notwendigen Aufladung holt sie sich kommod an den zahlreichen Steckdosen, an denen hoch im Norden auch gemeine Benzin getriebene Autos andocken, um für Fahrer und Maschine schonend vorgewärmt auf den nächsten Startvorgang zu warten. Und weil die Infrastruktur nun schon mal vorhanden ist, sind auch die restlichen Dienstfahrzeuge elektrisch angetrieben, vom Supersportler für VIP Transporte bis zu den Kleinbussen und Lieferwagen für die niedrigen Dienste.
Zum Hullu Poro Imperium gehört auch das Kammi, ein Restaurant ganz im Stil eines Sami Erdhauses, woher auch der Name rührt. Um das offene Feuer herum speist man auf niedrigen Tischen und schlichten Bänken unter der rohen hölzernen Dachkonstruktion, das Menü besteht, ganz traditionell, hauptsächlich aus Rentierfleisch in allen Varianten. Geräuchert, gegart, gegrillt, verwurstet und im Eintopf, dazu gibt´s allerlei Eingelegtes, Kraut, Gurken und Sossen, in denen die ortstypischen Beeren für erfrischend süsssäuerliche Abwechslung sorgen. Keine Frage, das entbehrungsreiche Leben im hohen Norden verlangt, zumal im bitterkalten, langen Winter, nach energiereicher Ernährung. Umso mehr gilt das natürlich für den erlebnishungrigen Besucher, weil der Levi -also der Berg!- nämlich nicht wirklich mit den mitteleuropäischen Hausbergen mithalten kann, wenn es um seine Anziehungskraft auf Alpenskiläufer geht, haben sich die Finnen, Lappen und Samen ordentlich was einfallen lassen, den anspruchsvollen Gast auf Trab zu halten. Näheres demnächst hier, diverse Schlittenantriebe stehen jedenfalls in den nächsten Tagen am Testprogramm…