„Nummer 60, der gelbe Triumph? Hätte schon vor 15 Minuten vorbeikommen sollen!“ Der Marshall, zuständig für den sicheren und ordentlichen Ablauf des Valetta Grand Prix auf Malta, notiert akribisch jeden Teilnehmer, der seinen Kontrollpunkt bei der alten Eisenbahnstation unterhalb der Festungsmauer von Mdina passiert. Penelope Pitstop ist nicht dabei, jedenfalls nicht jetzt, im zweiten Lauf der Qualifikation für das Rennen am Sonntag.
Der Valetta Grand Prix ist ein Classic Car Event auf der winzigen Insel Malta, welches aus drei Wettbewerben besteht, von denen allerdings kein einziger tatsächlich in Valetta abgehalten wird. Dort ist einfach nicht genug Platz, seit der zweiten Auflage beginnt man mit einem abendlichen Hill Climb in Mellieha. Der Hügel gehört zur Marfa Ridge, dem nördlichen sogenannten Gebirge der Insel, ganze 122 Meter über dem Meer erhebt sich dieses. Gestartet wird am längsten Sandstrand von Malta, dessentwegen der Ort Mellieha gerne auch als Zweitwohnsitz genutzt wird. Vor Allem Briten überwintern hier, ettliche von ihnen auch mitsammt ihrer Oldtimer, die sie nun gleich vor der Haustüre zum Start böllern lassen.
Das Qualifying findet nächsten Tages auf der Rennstrecke rund um Mdina statt. Die einstige Hauptstadt der Insel wurde von den Grossmeistern des Ritterordens als Trutzburg eingerichtet, Piraten, Osmanen und andere Feinde hätten sich das Eiland im Zentrum des Mittelmeeres nur zu gerne unter den Nagel gerissen. Von hier oben hat man nicht nur das gesammte Staatsgebiet jederzeit im Auge, auch unerwünschten Besuch erspäht man schon weit draussen auf See. Heute haben es sich die Teams im weiten Wehrgraben häuslich eingerichtet, die massiven Mauern verstärken die Motorengeräusche beim Aufwärmen, Jericho wäre da schon gefallen.
Penelopes gelber Bolide parkt auch hier, von der Pilotin keine Spur. „She crashed“, erklärt mir ihr Boxennachbar, hat sich den Hals verstaucht, „but the car is o.k.!“ Neil Fender fährt auch Triumph, einen traumhaften TR2, professionell rennmässig vorbereitet, schliesslich hat er sein Berufsleben im Motorsport zugebracht. Er hat auch das zweite Training problemlos absolviert, doch die Bestzeit hält immer noch Penelope. „She´s not taking prisoners“, sie lässt nichts anbrennen, meint er anerkennend, aber der Neid der fast ausschliesslich männlichen Konkurrenz auf die rasante Blondine ist im Fahrerlager allenthalben zu spüren.
Nur das Team des Vicepresident der Valetta Grand Prix Foundation macht da eine Ausnahme. Joseph Said hat zwei seiner drei Töchter und Sohn George in einige der schönsten Exemplare seiner beeindruckende Jaguar Sammlung gesetzt, nur Pam startet im eigenen MGB. Sie ist es auch, die sich über ihres Vaters mangelnde Risikobereitschaft beklagt, „he´s going terribly slow this year“, kein Wunder, hat er doch im vergangenen Jahr die Aufhängung seines 1959er C-Type an einer der allgegenwärtigen Steinmauern grob modifiziert. Wobei seiner gar nicht die teuerste der Wildkatzen aus seinem Stall ist, auch D-Type und XK-150 wechseln, wenn überhaupt, um streng sechsstellige Dollarbeträge ihre Besitzer, doch sein Modell ist mit einer Auflage von 50 Stück das rarste.
Das nötige Kleingeld für ihr Hobby verdienen die Saids mit Mdina Glass, in ihrer Fabrik am alten RAF Flugfeld blasen und formen gut zwanzig Spezialisten kleine Kunstwerke, die nicht nur auf Malta als Souvenirs geschätzt werden. Papa Joe war als Maltas erster Glasbläser seit dem Anbeginn der Firma 1986 führend im Unternehmen tätig, 1986 hat er den Laden schliesslich übernommen, die fünf Nachkommen sind auch hier voll integriert. Als Vizepräsident der Valetta Grand Prix Foundation hat er sich mit der Anfertigung der dutzenden Trophäen beauftragt, zahlen darf er sie als grösster Sponsor ohnehin auch selber. Verliehen werden sie am Sonntag abend im alterwürdigen Corinthia Palace Hotel, doch erst gilt es jene zu finden, die der mächtigen schwarzweissen Skulpturen würdig sind.
Die ersten Sieger werden beim Concours d`Elegance ermittelt, der Domplatz vor der Kathedrale von Mdina bietet einen wahrhaft würdigen Rahmen. Unüberhörbar knattern, brüllen oder schnurren die Kandidaten durch die engen Gässchen der Altstadt, kein modernes Element trübt das barocke Ensemble aus hellem Kalkstein. Penelope nimmt nicht teil, eitler Besitzerstolz ist nicht ihr Thema, dafür haben zahllose Einheimische ihre liebevoll restaurierten Lieblinge poliert und setzen sie nun in Szene. Und sich selbst dazu, schliesslich wird auch das best-dressed-couple prämiert. Es wimmelt nur so von Dons und Damen, Blues Brothers und Bräuten, sie alle geniessen sichtlich die neidvollen Blicke des zahlreichen Publikums.
So richtig zur Sache geht´s aber erst am Sonntag. Das Fahrerlager brodelt, die Motoren bellen, vom schneidig frisierten Cinquecento bis zur vor schierer Motorleistung beinahe berstenden Corvette reicht das Arsenal. Die Gruppeneinteilung ist unübersichtlich, zu weit das Spektrum, um wirklich Waffengleichheit herzustellen, die hysterisch kreischende Yamaha Grand Prix Maschine der frühen sienziger Jahre hat gleich gar keinen Gegner, sie muss alleine auf den Rundkurs. Der beginnt gleich vor dem Greek Gate, fällt steil und eng zur alten Eisenbahnstation ab, schlängelt sich über eine schmale Brücke zum ersten von drei Kreisverkehren, die beiden langen Geraden sollen Chicanen aus Strohballen entschärfen. Tun sie nur unzulänglich, Penelope kann ein Lied davon singen. Dafür bietet sie den vielen Minis und winzigen Fiats eine Chance, die starken aber schwerfälligen Boliden hinter sich zu lassen.
In jeder der neun Klassen gibt es einen Morning und einen After Noon Run, ihren ersten hat Penelope schon gewonnen, auf die Beschwerde des Photographen, dass sie immer allein auf weiter Flur gewesen und er so keine spannenden Photos bekommen hätte kontert sie mit der Frage, wo er sich denn am Nachmittag zu postieren gedenke. Und überrundet daraufhin prompt im zweiten Run jedesmal genau an der richtigen Stelle, es gibt gerade genug Gegner für jede Runde. Auch Neil Fender kommt zu seinem Erfolgserlebnis und einer schönen Mdina Glas Trophäe, der Vizepräsident überreicht sie abends in festlicher Atmosphäre in der Villa Corinthia, dem imperialen Festsaal des Hotels. Natürlich auch der nunmehr ausgesprochen eleganten Lady Claire Beswick, die Penelope Pitstop hat sie an den Boxen gelassen. „She´s a bloody good driver“ raunt das Publikum, dann tost noch einmal mal der Applaus auf: Joseph Said hat soeben seinen ersten Preis an den nächsten weiter gereicht, er habe festgestellt, dass der Jaguar viel zu stark für seine Klasse gewesen sei. Fairness und Sportsmanship haben die Malteser ganz eindeutig von den Briten gelernt, genuine Gastgeber waren sie ja schon immer.