Warum sollte man sich mit einer Insel bescheiden, wenn man einen ganzen Kontinent haben kann? Da fliegen meine Freunde immer wieder gerne nach Ibiza, und ich versteh´ nicht warum. Bin extra nachschauen gefahren, was sie anzieht, die Strände können es nicht sein, angeblich gibt es auch feine unentdeckte Plätze und Lokale, wenn man nur ein bisserl sucht, vielfältig soll es sein, und leicht zu erreichen, behaupten sie. Also mir erschließt sich diese nordeuropäische Expositur in den Balearen einfach nicht , und Inseln, die mit Vielfalt punkten habe ich auch schon einige kennen gelernt. So zum Beispiel neulich Sardinien, in der Tat eine entfernte Verwandte, schließlich befand man sich da wie dort lange genug unter katalanischer Herrschaft, um sogar im gleichen Idiom kommunizieren zu können, Alghero im Norden spricht nicht nur Catalun, sondern hat auch ein Wappen, welches sich nahtlos in jene der Baleareninseln einfügt. Und weil ihre Insel derart vielfältige und zahlreiche Attraktionen zu bieten hat, behaupten die Sarden, nicht ganz zu Unrecht, ihr Eiland wäre als Kontinent treffender bezeichnet.
Einer der drei Flughäfen Sardiniens findet sich oben im Nordwesten, über Rom gelangt man so täglich problemlos in diesen nicht überlaufenen Teil der Insel. Wegfliegen kann man dann ja von wo anders, der Costa Smeralda etwa, wo einem ohnehin das Urlaubsgeld zwischen den Fingern zerrinnt, mit all seinen Zerstreuungsoptionen für Oligarchen und Potentaten im Ruhestand. Alghero eignet sich hingegen ganz vorzüglich für Unsereinen als Ausgangspunkt, um die Insel zu erforschen, das hat sich schon bei den Katalanen bewährt. Doch die waren bei Gott nicht die Ersten, welche den praktischen Felsen in der weiten Bucht als Stützpunkt ausersehen haben, schon das Urvolk der Nuraghen hat gefallen daran gefunden, natürlich haben auch die Phönizier anläßlich ihrer Eroberungskreuzfahrten ein Auge auf den Hafen geworfen, die wurden bekanntlich von den Römern hinauskomplimentiert. Offiziell gegründet hat die Stadt eine Kaufmannsfamilie aus Genua, die Handelsbeziehungen ließen die Stadt florieren, aber 1353 fiel sie dann doch als letzte Beute den Aragonesen in die Hände.
Durch die enge Altstadt wandernd fällt es einem leicht, sich in die Vergangenheit kippen zu lassen. Noch immer duckt sich Alghero hinter den massiven Mauern am Meer vor den Wellen, die engen Gassen und auch nicht geraden weiten Plätze sind mit unaufgeregtem Alltagsleben erfüllt, weniger von hektischen Touristen verunstaltet, als drüben bei den Reichen und Schönen der Costa Smeralda. In den langen Gewölben der alten Lager an der Piazza Civica gehen die Goldschmiede und Korallenschleifer ihrem archaischen Handwerk nach, in den kleinen Läden und Boutiquen wird die Konsumlust der Besucher befriedigt, auf den Bastionen kann man seinen Cappucino oder Spritz genießen.
Wie zu erwarten gelangt man von dort durch die Porta del Mare in den Hafen, von welchem nicht nur Fischer und Freizeitkapitäne in See stechen, sondern auch Ausflugsboote zum Nahen Capo Caccia ablegen. Die markante Klippe krönt ein weithin sichtbarer Leuchtturm, doch das eigentliche Ziel ist die Grotte del Nettuno (und weil´s so schön klingt, auf Catalan Coves de Neptu und sardisch Gruttas genannt), eine über vier Kilometer lange Tropfsteinhöhle die nur vom Meer aus, oder über eine 654 Stufen zählende in die 110 Meter hohe Klippen geschlagene Escala de Cabirol erreichbar ist. Ich empfehle das Schiff, der Capitano weiß für gewöhnlich, ob die Wellen den Zugang ermöglichen, vom Land kommend erfährt man dies erst, wenn man endlich ganz unten vor der Kassa steht.
Oben von der Klippe blickt man über die ganze Bucht von Alghero, vom römischen Hafen Portus Nympharum, über den wunderschönen weißen Strand der Spiaggia di Bombarde nach Fertila, ein Musterbeispiel faschistischen Städtebaus, im Zuge deren Gründung die Sümpfe trockengelegt und die Malaria bekämpft wurde, bis hinunter auf die gebirgige Westküste südlich von Alghero.
An dieser schlängelt sich eine traumhafte Strasse entlang, Motorradfahrer werden verstehen, was ich meine, mal nahe an einsamen Stränden, dann wieder hoch oben im kargen Fels. Man sollte den Blick jedoch nicht zu sehr vom rechten Weg abschweifen lassen, die dunklen Schatten, welche über einem kreisen, stammen von Gänsegeiern, mächtigen Vögeln mit zweieinhalb Metern Spannweite, die sich von Aas ernähren.
Bei Bosa zerschneidet die Mündung des Temo die Steilküste, der Fluß ist einige Kilometer landeinwärts schiffbar, an einem Ufer zeugen Industriebauten aus dem vorletzten Jahrhundert von reger Geschäftstätigkeit, der Ort selbst zählt angeblich zu den schönsten Italiens, auch wenn die Fassaden in allen Farben des zwanzigsten Jahrhunderts leuchten. Eine süße kleine Schmalspurbahn führt von hier ins Landesinnere, und kreuzt mittels spektakulärer Brückenkonstruktion kurz vor dem Marktflecken und Verkehrsknotenpunkt Marcomer den Schienenstrang des überregionalen Eisenbahnnetzes.
Hier oben in der Ebene der Terraferma haben sich aber schon viel früher die Wege von Reisenden mit jenen der Einheimischen getroffen, wovon die Nuraghen, praehistorische Turmbauten der Ureinwohner zeugen, die oft mitten in phönizischen oder römischen Ausgrabungen auch nach fünftausend Jahren noch Zeugnis darüber ablegen, wer hier als Erster eine Ziviligesellschaft errichtet hat. Die 1949, nach tagelangen Regenfällen und einem dadurch verursachten Erdrutsch in seinem ganzen Ausmaß sichtbar gewordene Nuraghenanlage von Su Nuraxi läßt erahnen, welches Ausmaß die Siedlungen schon im zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung erreicht haben müssen. Denn eines ist offensichtlich: diese riesigen Zyklopensteinbauten können unmöglich von kleinen Gesellschaften errichtet worden sein, und zur Versorgung des Heeres der Arbeiter wird wohl auch die Feldarbeit kollektiv organisiert gewesen sein.
Viel jüngeren Datums, und doch schon wieder archäologischer Natur, sind die Denkmäler der bedeutenden Bergbaugeschichte Sardiniens. Begünstigt durch den vulkanischen Ursprung und die geologische Vielfalt der Insel, hat man schon in der Antike Erze aus den Bergen gebuddelt, ab 1842 wurde die Gegend um den Montevecchio systematisch abgegraben, durchsiebt, und nach verwertbaren Mineralien und Metallen durchsucht. Offensichtlich mit respektablem wirtschaftlichen Erfolg, die Arbeitersiedlung inclusive Krankenhaus, Schule und einer repräsentativen Direktorenvilla mitten drinn zeugt nicht nur von Reichtum, sondern auch vom sozialen Gewissen damaliger Kapitalisten. Dass die Zapfsäule der Betriebstankstelle noch einen dreistelligen Lirebetrag als Literpreis angibt, deutet allerdings schon auf die Einstellung des Betriebs in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hin, wie auch der Zustand der Grubeneinrichtungen.
Die gäben eine prächtige Kulisse für Italowestern ab, doch auch als Denkmal industrieller Architektur und als Rahmen des nunmehrigen Öko-Kulturparks machen sie einiges her. Mit Land Rovern kann man das Gelände erkunden, welches sich über ein komplettes Gebirge durch ein Tal hinunter bis an die Dünenlandschaft der Küste erstreckt. Und dort in einen Sandstrand mündet, der Seinesgleichen sucht, und für den sich so mancher Badeort am Mittelmeer alle Finger abschlecken würde. Kilometer lang, hunderte Meter tief, und selbst im August alles Andere als überlaufen. Sollen die Anderen ruhig wie die Sardinen an der Costa Smeralda im eigenen Sonnenöl schmoren, wir nehmen uns ein Beispiel an den Sarden, und genießen die weniger bekannten Attraktionen dieses Kontinents. Es gibt wahrlich genug davon!
S´apposentu
`Tatsächlich´ hat der Michelin-Stern dekorierte Chef Roberto Potza dieses Restaurant genannt, welches er, nach seinen Wanderjahren ins Heimatdorf zurückgekehrt, in der Casa Puddu eingerichtet hat. Der rustikale Palazzo war einst Wohnsitz von Don Ciccittu Puddu, Begründer der wichtigsten Pastafabrik Sardiniens, und einst auch Bürgermeister des kleinen Dörfchens Siddi hier oben im Hochland von Campidano. Abgesehen von den phantastischen Menüs, die Robertos Brigade aus lokalen Produkten in sardischer Tradition auf den Tisch zaubert, kann man seine eigenen Kochkünste in der angeschlossenen Akademie verfeinern.
Luigi Pomata
Auch Luigi ist Sarde, zudem bekannter Fernsehstarkoch, Enkel eines Thunfischers, und ist so zu einem veritablen Meeresfrüchtefetischisten geworden. Konsequenter Weise offeriert er in seinem minimalistischen Restaurant in Cagliari alles aus dem Meer ganz puristisch, und schreckt auch nicht davor zurück, japanische Sushimeister den frischen Fang filetiern zu lassen!
Trenino Verde
Sardinien verfügt über ein beeindruckendes Schienennetz in verschiedenen Spurweiten, welches sich auch oft malerisch kreuzt und überschneidet. Besonders attraktiv für den Lustreisenden ist der kleine Grüne, ein Zug auf der Schmalspurbahn, der den Nordosten erschliesst. Neben einem Fahrplanmässigen Verkehr gibt es auch turistische Angebote auf den spektakulären Routen durch die malerischen Täler, zu folkloristischen Festen, sowie die Möglichkeit, für bescheidene tausend Euro einen Zug für einen ganzen Tag zu Ihrer persönlichen Verfügung zu mieten!
Bei Sardinian Holidays kann man aber auch Jeepsafaris durch die im Text erwähnte Bergwerkslandschaft buchen, wenn einem der Sinn nach Abenteuer steht.