Klar kennen Sie Bibione, der adriatische Kurort gehört schließlich zu den Urgesteinen des Österreichischen Urlaubsuniversums. Aber vielleicht stutzen Sie bei „Kurort“, kein Wunder, als solcher nämlich ist Jesolos Zwilling kaum bekannt, eher schon wegen kinderfreundlichem Sandstrand und unkomplizierter Erreichbarkeit, das heiß Wasser wurde erst 1996 zum Sprudeln gebracht.
Überhaupt war Bibione ein Spätstarter, erst 100 Jahre nachdem Grado zur k.k. Kur- und Badeanstalt erklärt wurde 1960 Bibione überhaupt erst offiziell als Ortsname registriert, die bis dahin in der Lagune der Tagliamento Mündung liegenden Insulae Bibionae dienten bis dahin nur der Landwirtschaft, waren erst seit Beginn des 20 Jahrhunderts von einer eigens gegründeten Genossenschaft kanalisiert und urbar gemacht worden. Ausgenommen von den Zähmungsversuchen blieb nur der unmittelbare Küstenstreifen, der Sand erwies sich schließlich doch noch als fruchtbar, auf ihm konnte man bauen, Campingplätze, Pensionen und Hotels zum Beispiel.
Und unter den, ebenfalls autochthonen Pinien, verschiedenste Freizeit- und Sportanlagen zu errichten, auf dass die trägen Gäste von jenseits der Alpen nicht nur die Seele baumeln, sondern auch den Körper ertüchtigen mögen. Immer schon waren es die Jogger, die als erste am Morgen den Strand entlang liefen, tagsüber die unüberhörbaren Beach-Tennis-Fans und gegen Abend muskulöse Volleyball Artisten, hat sich in den letzten Jahren das Angebot an sportlichen Aktivitäten am Adriastrand beinahe ins uferlose erweitert. Damit der Überblick nicht verloren geht veranstaltet Bibione alljährlich das Beach-Fitness-Festival, bei dem Freunde des sportlichen Aktivurlaubs selbst sehen, was am Strand so alles möglich ist.
Letztes Jahr haben sich 3500 Teilnehmer an den 250 Trainingsstunden auf 14 direkt am Meer aufgebauten Tribünen in Zumba, Fitbox, Spinning oder Crossfit versucht, um nur ein paar Disziplinen zu nennen, gleichzeitig findet eine Convention für die Trainer statt, die uns nächstes Jahr die korrekten Moves näher und ins Schwitzen bringen sollen. Wobei es heuer nicht ganz so schweißtreibend ausgefallen ist, manchmal bleibt halt so ein Adriatief auch lieber daheim.
Wobei: verglichen mit der Witterung jenseits der Alpen verliert sogar der Herbst am Mittelmeer seinen Schrecken. Das, was die Italiener Kälte nennen reicht uns noch lange zum Wohlfühlen, zumal die Ebene Lagunenlandschaft sowieso nach dem Drahtesel ruft. Das sehen auch jene ähnlich, die in Bibione einen Arbeitsplatz sehen, nicht wie wir den Urlaubsort. Und wohnen tun sie oft auch nicht hier sondern weiter landeinwärts den Lemene hinauf. Wobei landeinwärts natürlich für eine Stadt, die neben dem „Gru“, also Kranich, der sich im Feuchtbiotop des Hinterlandes natürlich besonders wohl fühlt, auch noch das „Porto“ im Namen führt schon ein wenig irreführend ist. Vielmehr diente der Kranichhafen, der erstmals 1140 in einer Urkunde auftaucht, mit welcher der Bischof von Concordia Siedlern Grundstücke am Ufer des Lemene Flusses zwecks Errichtung von Lagerhäusern und eines Flusshafens zueignete, stets als wichtiger Umschlaghafen zwischen Meer und jenen Kanälen die einst eine Hauptrolle als Verkehrswege im fruchtbaren Hinterland spielten.
Hat man damals vor Allem die Kanäle als Verkehrswege genutzt kommen uns mittlerweile die kaum befahrenen Wege zugute, welche meist nur von tuckernden Traktoren genutzt werden. Oder eben von Radfahrern, die Regionen Friaul und Veneto haben sich das zunutze gemacht und am 29. September ihr neuestes Projekt in Bibione präsentiert, eine Initiative die sich auf „slow“ und „green“ konzentriert. Slow Food kennen wir ja schon zur Genüge, die Kombination mit umweltfreundlicher Fortbewegung zwischen den zuständigen Trattorie mit dem Fahrrad passt da ganz hervorragend dazu. Natürlich auch weil nach reichlichem Genuss der hinlänglich bekannten Köstlichkeiten ein wenig Kalorienverbrennung durchaus willkommen ist.
Geholt hat man sich die beispielsweise in der Osteria „A l´Ombra de la Torre“, wobei der Schatten des putzigen Wachturms über dem Stadttor nicht sehr lang ist. Er ist Teil der Stadtmauer mit welcher die Venezianer ihre in einheitlich gotischem Stil und erstaunlich intakte Filialstadt umgaben. Die lässt sich vortrefflich schlemmend genießen bevor man sich wieder in den Sattel schwingt und am Heimweg vielleicht noch kurz bei Luca Marcon vorbeiradelt. Der Spross einer Winzerdynastie aus Treviso hat hier mit der Azienda Torre Maschio ein neues Weingut angelegt, welches sich ganz auf die Sortencharakteristik seiner Weine konzentriert. Zehn Rote, sechs Weiße und acht Schaumweine hat man im Programm, allesamt mit ausgeprägter Sortencharakteristik, die Lage und das Terroire als Distinktionsmerkmale scheiden dank der homogenen Ebene hier ja aus. Umso beeindruckender ist die Vielzahl der Geschmacksnuancen, die vom typischen aromatischen Bouquet des hier TAI genannten Tokai Friulano über satte fleischige Anklänge beim autochtonen raboso bis zu wahrlich überraschenden Tönen von grünem Paprika beim Cabernet Frank reichen. Und eines kann ich ihnen versichern: der Abgang ist jedenfalls länger als der Schatten des Torre!
Genug geschwelgt, wir wollen heim nach Bibione, und auch wenn die Kanäle scheinbar zum Meer fließen so tun sie das wohl nur aus reiner Gewohnheit, bergab Rollen spielt´s nicht, was bei der Hinfahrt als Vorteil willkommen war ist nunmehr wenigstens kein echter Nachteil. Bei der „Ponte dei Molini“ kann man ein Bisserl Schwung holen, die Brücke ist nach den Mühlen benannt, die hier an einer felsigen Geländestufe die Stromschnellen zur Energiegewinnung nutzen. Oder eher: nutzten, heute dienen sie eher der Erinnerung an die schlechte alte Zeit, wenigstens hat ein gewisser Kompanieführer Julius Raab, ja, genau, der spätere Bundeskanzler, den „Ponte dei Molini“ vor der Zerstörung beim Rückzug der K&K Truppen bewahrt.
Aber jetzt heim geht´s nach Bibione, das Meeresrauschen wiegt einen in den Schlaf, morgen steht Joggen am frisch planierten Strand am Programm oder, sollte sich ein Muskelkater eingestellt haben, ein Spa Besuch. Und zwar nicht in einem banalen Spa Bereich des Hotels, nein, in den „Thermae Bibione“ warten medizinische Behandlung und Beauty Treatments und alle Arten von Dampf- und Schwimmbädern darauf geschundene Körper wieder auf Vordermann zu bringen. Die ganz unverschämten holen sich die Kosten in Österreich von ihrer Krankenkasse wieder, natürlich nur für die vom Arzt verschriebenen Anwendungen, die tun aber auch verdammt gut. Ein Glück, dass man 1996 bei Bauarbeiten die Theremenlinie perforiert hat, lagen die Gäste aus Wien früher nur auf der faulen Haut können sie nunmehr ihre Körper wieder in Schuss bringen. Egal ob im warmen Wasser, auf den vielen neuen Radwegen oder beim Fitness Training am Strand, Bibione hat sein altes Image abgelegt und ist mittlerweile auch in der Nebensaison ein lohnendes Reiseziel.
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