homolka_reist

(wieder)auferstehung

Es gibt Stimmen, die meinen, Kreta hätte es sich verdient, selbständig der EU beizutreten. Nicht nur verfügen die Kreter über ein nationales Selbstbewusstsein, welches jenem der Tiroler oder Iren in nichts nachsteht, auch ökonomisch hat sich die Insel über die Jahehunderte als äusserst interessant erwiesen, sonst hätten ja wohl auch die Dogen das mächtige Eiland nicht als Lehen immer wieder an die mächtigsten venezianischen Familien gegeben.
Eben erst feierte man 100 Jahre Vereinigung Kretas mit Griechenland, etwas verhalten wohl, die kritischen Stimmen werden natürlich gerade in schwierigen Zeiten lauter, doch die aktuelle Buchungslage im Tourismus hat die depressive Grundstimmung ganz gründlich korrigiert, in den drei Elounda Häusern Mare, Porto und Peninsula darf man bereits über den bestgebuchten Mai seit 2008 jubeln, für die Sommersaison schaut´s ebenso strahlend aus. Sicher, das orthodoxe Osterfest am 5. Mai kann man quasi als himmlische Hilfe ansehen, dementsprechend ausgelassen wurde es gefeiert, auch in der alten Kapelle am Areal des Porto Elounda, und zwar mit Gästen orthodoxen Glaubens jeder Art, da sind ja einige interessante Zielgruppen dabei.

Wobei, das ist eigentlich jedes Jahr das Gleiche, die Freude über die Auferstehung des Herren bricht immer wieder in geradzu kindlich-naiver Art aus den Menschen heraus, donnernde Böller und glitzernde Feuerwerksraketen steigern die Euphorie gegen Mitternacht zur Extase, ganz wie anlässlich der kalendarischen Jahreswende in der westlichen Welt.
Aber Ostern markiert ja ohnehin auch den Jahreswechsel, den kirchlichen halt, übrigens auch bei den Herätikern der Westkirche, nur sind deren Mitglieder schon wesentlich weiter von der reinen Lehre abgedriftet und wissen über die Bedeutung des höchsten Festes ihres Glaubens nicht mehr so wirklich Bescheid.
Dass die Ursprünge des in ein realreligiöses Umfeld eingebetteten Festes wohl weitaus früher und tiefer liegen dürften liegt eigentlich nahe, dass die Auferstehung des Herren (Anastasi) zeitgleich mit der wiedererwachenden Natur im Frühling (Anixi) gefeiert wird kann wohl kein Zufall sein.
Kaum irgendwo wird dieser Zusammenhang so sichtbar wie in der hellenistischen Welt, auch wenn Byzanz und die Orthodoxie ihren Einfluss geltend gemacht haben, die Osmanen haben an der religiösen Eigenart ihrer griechischen Untertanen ja nichts auszusetzen gehabt. Und eigentlich gehört Kreta ja gar nicht zur helleneischen Welt, sondern hat mit der minoischen Kultur seinen ganz eigenen Beitrag zur Transformation der östlichen Zivilisationen in die als Basis der unseren geltende hellenistische geleistet. Aber den Beginn der neuen Wachstumssaison werden sie sicher auch feierlich begangen haben, waren unsere mittelbaren Vorfahren doch schliesslich alle von den Erträgen der Landwirtschaft abhängig, und die sind nun mal ohne den segenbringenden Frühling undenkbar.

Also bedanken wir uns weiterhin bei der von uns grosso modo als Gott bezeichneten Macht, die das angeblich verantwortet. Für jene, denen der Vielgottglaube noch immer schmerzlich abgeht, wird auch anlässlich der Festlichkeiten auch der allherheiligsten Muttergottes sowie zahlreichen resortverantwortlichen Heiligen dank abgestattet, hierorts in erster Linie natürlich dem Heiligen Nikolaus. Der bringt bei uns im Westen vielleicht nur kurz vor Weihnachten ein paar Kleinigkeiten als amuse bouche vor der grossen Bescherung, im Mittelmeer ist er jedoch der Verantwortliche für die Sicherheit auf See. Ergo dessen darf er sich entsprechende Würdigung zu Ostern erwarten, und natürlich wird ihm diese gerade in Aghios Nikolaos reichlich zuteil.

Im prachtvollsten Ornat sind die kirchlichen Würdenträger auf dem Altar, der extra für diese Gelegenheit über das malerischen Hafenbecken ragend zusammengezimmert wurde, angetreten, um den Festgottesdienst zu zelebrieren. Auch die weltlichen Kapazunder stehen nah dem Popen am Kai, galauniformierte Polizisten und -innen, Militärs, der Bürgermeister in Gesellschaft seiner Gattin im eleganten kurzen Kostüm, sie alle werden gleich die goldgebundene Bibel küssen, und natürlich auch die Hände des Popen. Dichtgedrängt stehen die Gläubigen rundum am Kai, in den Händen das heilige Licht, welches sich in der Grabeskirche in Jerusalem auf wundersame Weise alljährlich selbst entzündet, danach ohne je zu erlöschen von Docht zu Docht seinen Weg bis in die hintersten Winkel der orthodoxen Welt findet, wo es schliesslich der Pope an die aufgeregt in der verdunkelten Kirche wartenden Gläubigen verteilt.

So weit die ofizielle Version, in der Tat ist es allerdings rührend, die beglückten Menschen zu sehen, wie sie ihr heiliges Licht mit hohlen Händen schützend nach Hause tragen, mit dem Russ der Flamme ein Kreuz an den Türstock zeichnen, und in der sicheren Hoffnung auf ein ersprieeliches neues Jahr einander küssen und `chronia polla´ Wünschen, `viele Jahre´, den Universalglückwunsch der Griechen. Griechische Ostern gehören zu den herausragendsten Beispielen überhaupt für die Bildung, Beibehaltung und Bedeutung einer menschlichen Gemeinschaft, und Jeder darf sich glücklich schätzen, der die Chance hat, dies mitzuerleben!

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CHRONIA POLLA!

Dieser Beitrag wurde am 2013/05/05 um 11:42 veröffentlicht. Er wurde unter griechenland, kreta abgelegt und ist mit , , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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