homolka_reist

gottes wille?

Wer an einem heissen Sommernachmittag durch Siteia, die östlichste Hafenstadt Kretas, fährt, fühlt sich irgendwie an eine Nordafrikanische Provinzmetropole erinnert. Nichts malerisches hat das Stadtbild zu bieten, keine Venezianische Festung oder romantische griechische Fischerkneipen, alles hier ist neu gebaut und sachlich gehalten. Menschen sind jetzt auch nicht viele auf der Strasse, und am Stadtstrand versammeln sich wenige unentwegte unter der prallen Sonne. Den Berg im Rücken der Stadt hat man planiert und einen Flughafen angelegt, den Hafen dominiert eie riesige Mole aus Beton, Siteia ist so etwas wie ein Verkehrsknoten am äussersten Rand Kretas, Griechenlands und somit auch Europas.
Allerdings hält sich der Verkehr ziemlich in Grenzen, einmal täglich fliegt eine kleine Propellermaschine nach Karpathos und Kassos, eine nach Rhodos und eine nach Athen. Dieselben Ziele hat auch die Fähre, sie bedient ein auf einer attraktiveren Route ausgemusterter Kahn. Offensichtlich sollten Infrastrukturinvestitionen von Regierung und EU die Wirtschaft hier in Schwung bringen, die üblichen Massnahmen, Tourismus- und Strassenbauförderprogramme haben ihre Spuren hinterlassen, fertig geworden ist wenig. Von der Schnellstrasse nach Agios Nikolaos stehen da und dort ein paar Brücken und kunstvoll auf Stelzen ins Tal gestellte Abkürzungen, allesamt unerreichbar, nur auf den letzten Kilometern vor der Stadt kann man ein Stück Hochgeschwindigkeitstrasse benutzen, die aber auch wieder plötzlich versiegt und unvermittelt zur schmalen Landstrasse wird.
Am östlichen Stadtrand sticht ein ansehnliches Fünfsternhotel ins Auge, das funktioniert scheinbar problemlos, doch schon ein paar Kilometer weiter zeugt ein riesiges Stahlbetonskelett von einer Fehlinvestition. Da hat man sich offensichtlich ein Luxusresort hingeträumt, ein paar Angesteltenhäuser daneben sind sogar fertig geworden und auch schon wieder in Verfall begriffen, das wird wohl nichts mehr mit return on investment.

Offensichtlich schon Kasse gemacht haben die Betreiber einer schmucken Feriensiedlung noch ein wenig weiter im Osten, fröhlich sehen die farbigen Häuschen von Ferne aus, doch je näher man der Fata Morgana kommt, desto grotesker wirkt das bunte Dorf an der felsigen Küste. Von der Küstenstrasse gelangt man über eine grosszügig angelegte Abzweigung zum Pförtnerhäuschen, welches verweist über den geschlossenen Schranken wacht, `Dyonisos Village´ nennt sich die Anlage laut abblätternder Aufschrift an der rissigen Mauer. Am Fenster kleben amtliche Verlautbarungen, die zu einer Eigentümerversammlung aufrufen, anlässlich derer der Geschäftsbericht vorgelegt und der Vorstand entlastet werden soll. Allerdings liegt der avisierte Termin bereits über eineinhalb Jahre zurück, das dürfte wohl nicht ganz reibungslos über die Bühne des grossen Veranstaltungssaales gegangen sein. Im Internet findet man auf diversen Foren entsetzte Erfahrungsberichte von Schnäppchenjägern, welche den angebotenen kostenlosen Urlaub in diesem `Dorf nach alten Prinzipien in Anlehnung an die Minoer Zeit´ gerne in Anspruch genommen haben, dann aber von fehlender Strom- und Wasserversorgung, erbärmlichem Erhaltungszustand und dem a priori nicht zum Bade ladenden Strand angewidert ihrem Ärger Ausdruck verliehen. Doch selbst das ist schon lange her, offensichtlich versuchen die geprellten Käufer immer noch ohne grosse Aussicht auf Erfolg von der Errichtungsgesellschaft Kompensation in irgendwelcher Art zu erhalten, wie es scheint haben die sich mittels Knebelverträgen sogar über ihren Konkurs hinaus gegen Eigenmächtigkeitem der gutgläubigen Käufer abgesichert, ihr Geld haben sie offensichtlich in Sicherheit gebracht. Architektonisch schaut die Anlage tatsächlich gar nicht mal so übel aus, allerdings ist die Lage hier am äussersten Rand Europas schon etwas gewagt gewählt, eigentlich nicht verwunderlich, dass hier weit ab vom Schuss solch ein Investorentraum nicht wirklich in Erfüllung gehen kann.

Träume, denen aber auch die drei Mönche des Kloster Toplou anhängen, die sich nicht mit den Einkünften aus der vorbildlichen ökologischen Landwirtschaft ihrer Ländereien zufrieden geben wollen, sondern weitaus Grösseres im Schilde führen. Das Kloster, welches seinen Namen den Kanonen verdankt, mit denen es sich in den sechs Jahrhunderten seines Bestehens erfolgreich gegen Angreifer jeder Herkunft zur Wehr gesetzt hat, ist durch Erbschaften und Schenkugen im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert zum fast alleinigen Eigentümer der Ostspitze Kretas geworden. An der liegt auch der berühmte Strand von Vai mit seinem Palmenhain, dem weitaus grössten und einzigen autochtonen Europas, die Ruinen der antiken Stadt Itanos, ausserdem ist der Landstrich wegen seiner Unberührtheit und der reichen Fauna und Flora als Natura 2000 Schutzgebiet ausgewiesen. Was aber die Mönche von Toplou nicht davon abhalten konnte, mit dem in Glasgow domizilierten Immobilienentwickler `Minoan Group´ einen Pachtvertrag auf achtzig Jahre abzuschliessen, auf dass diese dort ein 1,2 Milliarden Euro schweres touristisches Projekt durchziehen könnten. Sechs Dörfer, siebentausend Betten, eine Marina, drei Golfplätze, alle Stückerln soll es spielen. Doch abgesehen von den Ordensmännern und den Bankern scheint das dort keinem gefallen zu wollen, auf Betreiben von 300 Aktivisten aus Sitia hat der oberste Gerichtshof die Baugenehmigung schon 2009 wegen offensichtlicher Ungereimtheiten aufgehoben, seither war es still geworden um das Projekt. Die ansässigen Bauern, welche bislang auf vom Kloster gepachteten Grund das Land bestellt haben, ganz so, wie es seit jahrhunderten üblich war und bei den beiden andern Klöstern auf Kreta auch bestens bewährte Praxis ist, trauen jedoch der Ruhe nicht. Es sieht ganz so aus, als würden heimlich still und leise hinter den Kulissen bereits Vorbereitungen getroffen, einen Deal mit den Behörden auszuhandeln, um unter dem Vorwand einer Umweltverträglichen Neuplanung doch noch an die nötigen Genehmigungen zu kommen, um das ungeliebte Projekt doch noch durchziehen zu können. Abgesehen von dessen fragwürdiger wirtschaftlichen Plausibilität würde der immense Wasserbedarf eines derartigen Luxusresorts mit Golfplätzen, Swimmingpools und standesgemässen grünen Gärten zweifellos in der extrem arriden Gegend das ökologische Gleichgewicht völlig auf den Kopf stellen, und der Existenz der Landwirte den Garaus machen. Mehr als fünfundzwanzig Quadratkilometer haben die Mönche der Entwicklungsgesellschaft zur Nutzung überlassen, nur den unmittelbar dem Kloster zugehörigen fruchtbaren Boden haben sie sich gesichert, auf dass ihnen das Olivenöl und der eigene Wein nicht versiegen möge.

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Durchaus nachvollziehbar, ist doch das Kloster inmitten von Rieden und Feldern ein veritabler Hort der Ruhe und Beschaulichkeit. Der klerikale Wehrbau ruht sicher und scheinbar von der Zeit ungerührt in einer geschützten Senke, umrahmt vom saftigen grün der Reben, Olivenhainen und Gemüsegärtchen. Etwas abseits liegt versteckt das moderne Gebäude der Winzerei, nichts mag den Eindruck der heilen Welt nach Gottes Willen trüben. Stolz erzählt das kleine Museum in den gedrungenen Wirtschaftsräumen im Erdgeschoss von der Geschichte des Klosters, seiner Rolle im Widerstand gegen Osmanen und andere böse fremde Mächte, die sich des bescheidenen Reichtums des kargen Landstrichs und vor Allem seiner strategischen Lage bemächtigen wollten. Erfolglos, wie man sehen kann, hoffentlich bleibt das auch weiterhin so. Denn auch wenn sich die aktuellen Belagerer als Minoer ausgeben, und wahrscheinlich wohl auch griechische Interessenten dahinterstecken, scheint sich keiner der Einheimischen auf die in Aussicht gestellten Segnungen des Luxustourismus freuen zu wollen!

Dieser Beitrag wurde am 2013/05/27 um 18:23 veröffentlicht. Er wurde unter griechenland, kreta, lasithi abgelegt und ist mit , , , , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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