homolka_reist

deutsch ungarn- oder doch slovakia?

Wir Wiener sind schon komische Käuze, fahren in Sachen imperialer Nostalgie gerne mal schnell ein paar hundert Kilometer in `unseren´ Hafen nach Triest, wo´s im Borgo Teresiano ausschaut wie in Wien und die Villen am Meer wie jene am Semmering.
Diesen Nostalgischen Neigungen könnte man aber auch naheliegender nachgeben, die Slowakei kann man von Wien aus schon sehen, wenn man nobel häher wohnt, ist auch rasch dort, selbst wenn die frisch ausgerollte Autobahn einen Haken schlägt, hat sich am Weg nach Ungarn scheinbar in letzter Sekunde dazu durchgerungen, auch die alte Königsstadt Poszony mit der westlichen Welt zu verbinden.
Pressburg lassen wir aber gleich wieder links liegen, auch wenn die stolze Burg eitel lockt, noch vor der Donauquerung nehmen wir die D1, durch den gebauten Beweis der verwestlichung der Stadt mit ihren Büropalästen und Shoppingtempeln schneidet sich die Autobahn, aus dem Fitnesscenter blicken schwitzende Gestalten auf den Freitagnachmittagstau. Der wird aber ohnehin immer dünnflüssiger, bei Tyrnau wechseln wir von der D1 auf die R1, könnte `regional´ meinen, die Autobahn wird schmäler, die Fahrbahn hingegen besser, frischer faltenfreier Asphalt, die Trasse zieht beschwingt durch die hügelige Landschaft, sanftes Cruisen auch mit harten Fahrgestellen ein Genuss.
Das geht so bis Neusohl, vulgo Banska Bystrica, die Schnellstrasse zieht dort unvermittelt mitten durch den modernen Businessdistrict der Universitätsstadt, bald danach wandelt sich das makellose Asphaltband in eine archaische Fernverkehrsstrasse, um bald danach in einen dichten wald abzubiegen, man meint erst, falsch abgebogen zu sein, doch die rasant über den Pass rasenden Sattelschlepper beweisen, dass man richtig liegt. Über die Niedere Tatra gelangt man so vom engen Tal der Gran in die weite Ebene von Liptau, hier ist wieder Platz für eine Autobahn,sie heisst wieder D1 wie in Pressburg, nicht so amüsant wie die gewundene Passroute, aber höchst willkommen in der hereinbrechenden Dunkelheit. Und das letzte Stück hinauf zum Kempinski Grand Hotel High Tatras am Tschirmer See ist dann auch nur mehr ein Klacks, zehn Kilometer gut ausgebaute Panoramastrasse bringen einen rasch ins gemachte Bett.

Der erste Blick aus dem Fenster anderntags bringt gleich ein atemberaubendes Panorama zum Vorschein, je nach Lage des Zimmers schaut man entweder über das weite Tal nch Süden zum endlosen sanften Gebirgszug der Niedern Tatra, oder auf die nahen schroffen Gipfel der Hohen Tatra. Die spiegeln sich im stillen See, einen architektonischen Kontrast setzt die stählern in der Morgensonne glänzende Sprungschanze, wie ein Denkmal des Arbeiterstaates ragt sie von einem Hügel weit aus dem Panorama, erinnert an die Nordische Schi Weltmeisterschaft des Jahres 1970, für welche sie errichtet wurde. Das tut auch das Hotel Patria, ein brutaler Protzbau, de facto ein schätzungsweise fünfzig Meter hoher Giebel, etwas schräg in die Landschaft gestellt, man kennt diese Irrtümer auch aus den französischen Alpen. Doch dieser Schandfleck verschwindet angesichts der schieren Schönheit der angezuckerten Gipfel vor dem strahlendblauen Himmel, wenig verwunderlich, dass am Wochenende Tausendschaften von Tieflandbewohnren hier herauf pilgern, mit PKWs, Bussen oder der Bahn, die den Ort bereits 1896 auch dem gemeinen Volk als Kurort zugänglich machte, schon seit 1875 genossen die hohen Herren das Reizklima in der Hohen Tatra, da hatte Jozef Szentivány seine Jagdhütte schon zum Gästehaus erweitern lassen. Seit 1906 stehen die Hotels Hviezdoslav und Kriván anspruchsvollen Gästen zur Verfügung, zusammen mit dem in den 1920er Jahren errichteten Sanatorium bilden sie nunmehr das Kempinski, besser war das Service wohl nie zuvor.

A propos Service: wem die Anreise auf zwei Rädern zu anstrengend oder langweilig ist, für den organisiert das Hotel die Zustellung eines fahrbaren Untersatzes, und damit man ja nicht auf gewohnten Stil und Komfort verzichten muss, stellt den der Harley Davidson Dealer von Preschau vor die Türe. Ende Oktober ist´s halt recht frisch am Morgen, verblüffenderweise gibt es Heizgriffe an der Electra Glide erst ab der Version Ultra, skuril, wenn man sich den Preis vor Augen hält. Immerhin dient die Verkleidung auch als Audiomöbel, Bluetooth und USB-Stecker speisen Van Morrison a la Dolby Surround in die HiFi Speaker, die Cinemascope Optik bringt die Tatra ganz alleine zuwege. Am Südhang entlang klappert man die Kurorte mit ihren historischen Grand Hotels ab, kreuzt mehrmals die Bahntrasse, der Zug lässt sich genauso Zeit, wie der Harley Cowboy.
Die Dörfer am Wegesrand tragen lustige Namen, leider sind sie auf den Ortsschildern slowakisch bezeichnet, Ober- und Unterschmecks klingt doch schöner als Dolny und Horny Smokovec, ditto Alt- und Neuschmecks, und schon gar Käsmarker Tränke. Die grosse Stadt unten im Tal heisst übrigens Deutschendorf, das hat wohl seinen Grund, auch wenn sie heute als Poprad firmiert. Rundum gruppieren sich Gemeinden wie Kuhschwanz, Gansdorf, Stollen, Uhrngarten, Hohesalz, Mühlenbach, Wiedrig, Schwabsdorf, Grossschlagsdorf, Morgenröthe und Teplitz, nomen sunt omen, sie erzählen von den deutschen Siedlern, welche die Ungarnkönige im 12. Jahrhundert nach dem Einfall der Mongolenheere ins Zipser Land geholt hatte. Und geben auch Aufschluss über ihre berufliche Tätigkeit, die Schlesier und Sachsen waren als Bergbauspezialisten angeheuert worden, zwecks Leibeswohl haben sie sich aber offensichtlich auch der Landwirtschaft und Rodung mit dem ihnen eigenen Ernst gewidmet.

Industrie und Landwirtschaft sind immer noch die wichtigsten Säulen der lokalen Witschaft, dazu der Fremdenverkehr, das gibt eine schöne Verkehrsgemengelage, dazu kommen noch die Karavanen auf den Handelsrouten zwischen Polen im Norden, der Tschechischen Republik im Westen, der Ukraine im Osten, und schliesslich dem ehemaligen Mutterland im Süden. Den Ungarn verdanken wir auch die Zipser Burg beim Örtchen Kirchdrauf, angeblich die grösste Burganlage Mitteleuropas, jedenfalls die zweitgrösste, sollten die Tschechen Recht haben, die den Hradschin für grösser halten, aber aus Tschecho-Slowakischen meinungsverschiedenheiten hält man sich besser raus. Jedenfalls war die Burg die nordöstlichste Befestigung Ungarns, die Burg meist im Eigentum des Königs oder einer bedeutenden Aristofamilie, den Csákys brannte sie leider im achtzehneten Jahrhundert ab, worauf sie das Weite und komfortablere unterkunft suchten.1945 wurde das weitläufige Gebäude konsequenterweise von der CSSR verstaatlicht und teilweise rekonstruiert, zum Kulturerbe erklärt, und seit der Wende mit viel Engagement renoviert.
Das gilt auch für die von der Festung beschützte Stadt Leutschau/Levoca, die durch ihre Lage am Kreuzungspunkt wichtiger Handelsrouten, die von König Karl Robert von Anjou gewährten Privilegien und die Mitgliedschaft im Bund der Pentapolitana zu einer der reichsten Städte Ungarns geworden war. Das lässt sich ohne Weiteres an der prachtvollen Architektur und der noch immer lückenlosen Stadtmauer ablesen, dass vom einstigen Reichtum nicht mehr allzuviel übrig ist erkennt man unschwer am Fortschritt der Bauarbeiten, auch wenn man hier eindeutig mit dem Mut der Verzweiflung ans Werk geht. Schön langsam erblüht die Stadt wieder, und wenn erst die Touristen kommen, wird vielleicht auch die lokale Gastronomie spriessen, derzeit muss man sich noch mit bunten Mehlspeisen aus der Konditorei in den Arkaden über die Runden helfen.

Oder sich halt wieder in den Sattel schwingen, und gegen die Gipfel der Hohen Tatra tuckern, die sich jetzt, im Licht der tief stehenden Sonne, besonders theatralisch präsentieren. Vor dem Kempinski laufen gerade wieder die Burschen von Harley mit ihrem Lieferwagen ein, zeigen sich beeindruckt vom Durchhaltevermögen der österreichischen Gäste, 240 Kilometer bei diesen temperaturen hätten sie selber sicher nicht abgespult. Aber die kennen diese herrliche Gegend mit dem Flair der Nordamerikanischen Prärie ja auch wie ihre Westerntasche. Und wir wissen um die wärmende Wirkung des Zion-Spas und eines Glässchens feinen Rotweins aus dem slowakischen Süden zum phantastischen Menü von Kempinski Küchenchef Gabriel Kocak!

Dieser Beitrag wurde am 2013/10/22 um 19:05 veröffentlicht. Er wurde unter hohe tatra, slowakei abgelegt und ist mit , , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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