homolka_reist

komm mit mir!

„Lass’ beiseite uns gehen, das Terrain zu sondieren.“ – Der WIENER nahm sich Don Giovannis Aufforderung zu Herzen. Geführt von Tenor Cosimo Panozzo, erforschten wir Verona und entdeckten u.a., dass Kaugummi-Kauen auch ein Liebesbeweis sein kann.

Cosimo Panozzo empfängt uns auf der Bühne des Teatro Filarmonico, dem Opernhaus von Verona. Vom Schürboden hängt eine Stoffbahn, an ihr übt eine Ballerina noch einmal ihren artistischen Auftritt, Cosimo will den seinen mit ihr koordinieren, eine Kollision während der Sonntagsmatinee, die in Kürze beginnen wird, würde die Magie der Oper empfindlich stören. Von außen sieht das Haus eher aus wie der Verwaltungsbau der Staatsbahnen, die alte Oper ist einem Missverständnis der Aliierten Bomber in den letzten Kriegstagen zum Opfer gefallen, man muss aber dankbar sein, dass sie die Arena nicht auch gleich bombardiert haben, die steht gleich nebenan. Nicht getroffen haben sie auch die Sala Maffei, 1716 errichtet und nur anlässlich von Uraufführungen dem gemeinen Volk als repräsentatives Entree zugänglich. „Dieser Saal schaut noch immer genau so aus, wie damals als Mozart seinen Premieren beiwohnte“ schildert Cosimo begeistert. Immerhin ist die Akademie von Verona die älteste der Welt und der junge Tenor einer ihrer vielversprechendsten Absolventen. Doch jetzt muss er sofort in die Garderobe, um sich für seine Rolle in der diebischen Elster schminken zu lassen, überraschender Weise trägt er hierfür die Uniform eines amerikanischen Polizisten.

Ich möge ihn anschließend vor der Gelateria Savoia treffen, gleich im Haus, und ebenso geschichtsträchtig, wurden doch hier Köstlichkeiten wie das Semifreddo oder 1941 das erste Eis am Stiel erfunden, jedenfalls behaupten dies die Veroneser sowie ein stolzes Plakat an der Facade des Eissalons. Das Etablissement wird nach der Vorstellung von den zahlreichen lokalen Opernfans in zurückhaltend eleganter Sonntagskleidung gestürmt, welche aus dem unauffälligen Haupteingang des Teatro Filarmonico blinzelnd in die Nachmittagssonne des Corso Italia strömen. Cosimo ist auch gleich zur Stelle, zieht dem kalten Schlecker allerdings einen heißen Cappuccino im Café Emmanuel vor auf der Piazza Bra vor. Dort kann man nicht nur die Veroneser bei der Volta an diesen, von manchen als schönsten Platz Italiens bezeichneten, Ort beobachten, sondern auch den ungetrübten Blick auf die immer noch spektakulären Reste des römischen Amphitheaters genießen. Wo, wie könnte es bei einem veroneser Sänger anders sein, auch die Karriere von Cosimo Panozzo ihren Ursprung hatte.

Aufgewachsen im Borgo Roma, dort wo die Etsch in weiten Mäandern die Stadt verlässt und kleine Auen gebildet hat, singt Cosimo schon als Kleinkind gerne, wann auch immer seine Eltern ihn dazu auffordern, um ihren ganzen Stolz den Bekannten vorführen zu können. „Da haben sie Glück gehabt, nicht viele Kinder machen gerne das, was ihre Eltern von ihnen verlangen“, erzählt Cosimo aus eigener Erfahrung. Schnell war er Mitglied im Chor der Kathedrale, wo er bald für den Chor der Arena für die Sommersaison entdeckt wurde, `voce bianche´ wurden gesucht, klare Kinderstimmen. „Offensichtlich war ich nicht schlecht, immer noch sprechen mich alte Chorsänger auf meine ersten Auftritte in der anonymen Masse des gewaltigen Chores in der Arena an!“

So kam schon als Kleinkind mit der Oper in Berührung, seine musikalische Ausbildung am altehrwürdigen Konservatorium genoss er jedoch im Fach Pianoforte, welches er als Hauptstudium vorzog, die Gesangsausbildung lief daneben privat, sicherheitshalber studierte er danach Wirtschaft, die Anstellung bei einer Bank fiel allerdings schon der ersten Tournee zum Opfer.
Cosimo drängt nun darauf, mir die Arena von innen zu zeigen. Die strengen Damen an der Kassa erkennen ihn zwar sofort, doch ohne Genehmigung von der Stadtverwaltung kommt auch der Star so mancher Opernnacht ohne Ticket Zutritt zu den Katakomben gewährt. Dort, wo sich einst Gladiatoren auf ihren Auftritt vorbereitet und wilde Tiere gewartet haben, befinden sich heutzutage die Garderoben der Sänger. „Es muss sich damals ähnlich angefühlt haben. Während du unten in den feuchten Mauern nervös auf deinen Einsatz wartest, hörst du das Dröhnen der Zuschauer, während du die Stiegen erklimmst wird es immer lauter, und plötzlich stehst du im riesigen Rund des Theaters –atemberaubend!“

Der Regen setzt wieder ein, und Cosimo schildert begeistert einen Abend, an dem ein plötzlicher Wolkenbruch die Musiker in die Fluch schlug, ihre Instrumente hektisch in Sicherheit bringend. Das Publikum reagierte ungehalten, da trat Pavarotti auf die Bühne, bat um einen Regenschirm und ein Piano, und bescherte dem beglückten Publikum quasi im Alleingang einen unvergesslichen Abend.
Luciano Pavarotti hat auch großen Anteil an Cosimos weiterer Karriere. Seine erste Tournee mit einer jugendlichen Truppe führte Cosimo nach Cagli, wo er den Nemorino in Donizettis „L´elisir d´amore“ gab, eine Rolle, in welcher Pavarotti schon an der Met brilliert hatte. Nun liegt Cagli gleich neben Pesaro, und dort residiert der Maestro. Der ließ sich von Cosimo vorsingen, fand Gefallen am jungen Kollegen, und nahm ihn sofort unter seine Fittiche. „Ein unglaublicher Glücksfall! Pavarotti hat sich immer Zeit für mich genommen, ohne jedes eigene Interesse, ein wahrer Meister!“ schwärmt Cosimo von seinem Mentor.

Von der Arena führt mich Cosimo nun zum Castel Vecchio, jenem Ort, den er für viel romantischer hält als den überlaufenen Hof, in welchem sich die Schaulustigen unter dem vermeintlichen Balkon der Capulets, unter welchem der junge Herr Montague so tragisch geschwärmt haben soll. Vor dem wieder einsetzenden Regen flüchten wir in ein winziges Café auf dem Corso Portaborsari, es nennt sich Il Tubo, und genau so schaut es aus, wie eine Röhre im mittelalterlichen Erdgeschoss, zum Espresso serviert der Barista die stolze Information, dass er schon in achter Generation hier Bohnen brüht. Gleich nebenan nehmen wir einen schnellen Snack in der Pizzeria San Mateo, die ihren Namen der Kirche verdankt, in dessen Gemäuern sie sich breit macht. Auf dem Weg zur Piazza delle Erbe mit ihren Marktständen, an denen, neben den einschlägigen Souvenirs, tatsächlich auch frisches Gemüse feil geboten wird, muss ich aber natürlich doch noch einen Blick auf Julias Balkon werfen. Die Szenerie ist tatsächlich grotesk, abertausende Liebespaare haben sich hier an den Mauern verewigt, nicht nur mittels Initialen, sondern auch durch Affichierung gemeinsam gekauter Kaugummis, welche allabendlich von Reinigungsdamen wieder abgeschabt werden.

Dass der Balkon eine tragende Rolle in dieser veroneser Liebesgeschichte spielt ist nachvollziehbar, sie scheinen wirklich an jeder Facade zu kleben, leider ist der hierorts verwendete Steinwenig Witterungsbeständig, jener an der Loggia del Consiglio wirkt schon recht baufällig, aber nicht ganz so verwaschen wie der Markuslöwe, der vom vergangenen Ruhm der venezianischen Herren erzählt. Neu und funktionstüchtig ist hingegen jener Aufzug, der einen auf das Dach des Torre die Lamberti befördert, von wo man einen prachtvollen Ausblick auf die Alpen, zum nahen Gardasee und in die Poebene genießen kann- wenn es nicht gerade schüttet.

Weil es dies aber nun tut, sich langsam ein leichtes Hungergefühl einstellt, und Verona dank seiner privilegierten Lage zwischen nahem Meer, alpinem Weide- und fruchtbarem Agrarland über eine ganz ausgezeichnete Küche verfügt, drängt Cosimo zum Besuch der `Veccio Mulin´. Am Ufer der Etsch in der Via Sottoriva gelegen genießt sie einen legendären Ruf, der auch weiter entfernt gerne vernommen wird. Politiker, Industrielle sowie aus Film und Funk bekannte Künstler zählen zum Stammpublikum, Klientel, welches bekanntlich gerne Ansprüche stellt. Die werden hier vollauf erfüllt, während mein Blick auf das römische Theater am anderen Ufer schweift, wo gerade die Scheinwerfer für das jährliche Jazzfestival eingestellt werden, schwärmt der Ober von den fünf verschiedenen weinen, welche in der Region aus nur drei Traubensorten gekeltert werden, während Cosimo, ganz stolzer Veroneser, darauf verweist, dass mit der Vinitaly hier auch die wichtigste internationale Weinmesse zu Hause ist, zudem die größte Messe für Käse und Milchprodukte, und auch die Leistungsschau der Hersteller landwirtschaftlicher Maschinen und Fahrzeuge weltweit Beachtung findet. Fast schade, dass er und seine Kollegen von der Oper die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wenn im Sommer alle Augen und Ohren auf das neunzigste Festival Lirico del´Arena di Verona und Cosimo Panozzo gerichtet sind.

Cosimo Panozzo,1982 in Verona geboren, kam aus dem Kirchenchor im Kindesalter gleich zum Chor der Arena di Verona. Neben der Schule studierte er am Konservatorium Klavier, das Wirtschaftsstudium an der Uni Verona begleitet eine Gesangsausbildung bei Professor Vinco und anschließend Luciano Pavarotti.
2003 gewann er die `Goldene Palme´, seinen ersten internationalen Wettbewerb, 2005 debutierte er in Cagli in der Rolle des Nemorino in Donizettis `L´elisir d´amore´.
Der Tamino in der `Zauberflöte´, Don Ottavio in `Don Giovanni und 2007 Antonio in Rossinis `Diebischer Elster´ beim Opernfestival in Pesaro folgten.
Nach Tourneen durch Europa und Japan steht er heuer als Marquis Ernesto in Haydens `La vera constanza´ im königlich wallonischen Opernhaus in Lüttich und als Antonio in Rossinis `La gazza ladra (die diebische Elster)´ auf der Bühne.
Für diesen Herbst ist ein Konzert in Wien geplant, und zu Weihnachten wird Panozzo wieder in Kitzbühel einen Liederabend geben.

Dieser Beitrag wurde am 2014/06/21 um 05:16 veröffentlicht und ist unter italien, verona abgelegt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

Ein Gedanke zu „komm mit mir!

  1. Johnb516 sagte am :

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