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scampi bei donna assunta

Wenn Sie in Gaeta mit der Bahn ankommen, werden Sie vielleicht erst mal enttäuscht sein. Oder besser: angenehm enttäuscht. Da erinnert nichts an die touristische Geschäftigkeit der beliebten Urlaubsziele in der Toskana oder an der Amalfitana, stattdessen gehen hier die Einheimischen in der den Süditalienern eigenen Leichtigkeit ihrem Alltag nach, keine Spur von deutschen Zahnärzten, österreichischen Architekten oder anglophonen Millionären, die an ihren Lieblingszweitwohnsitzen jeden „Geheimtipp“ natürlich schon seit Jahren kennen. Hier unten an der Küste Latiums trifft sich nicht das Jet Set, selbst die Römer machen nur zu Ferragosto eine Ausnahme, da sind ihnen nämlich die Strände zwischen Ostia und Ischia ohne ausländische Touristen auch lieber.

Genau genommen werden Sie gar nicht in Gaeta ankommen, sondern in Formia, dem prosaischen Vorort der historisch bedeutenden Festungsstadt. Die Ferrovia bietet sich als Transportmittel an, weil es hier, auf halbem weg zwischen Rom und Neapel keinen Flughafen gibt. Dafür liegt Gaeta an der Via Appia, einem der ältesten Super Highways der Welt, zudem hat sich die Halbinsel vor der Küste schon in der Antike als idealer Standort für einen sicheren Hafen aufgedrängt. Kein Wunder dass sich schon die alten Griechen hier niederliessen und dem Ort einen Namen gaben, kaietas ist die lakonische Bezeichnung für Untiefe oder Höhle.

Womöglich haben sie damit jenes beeindruckende Loch gemeint, welches seit den Zeiten des rasenden Rolands „Grotto del Turco“ oder Hafen der Sarazenen genannt wird. Der Fränkische Fürst hatte sich im Abwehrkampf gegen die Sarazenen einen Namen gemacht, die im Auftrag der Osmanen Gaeta den byzantinischen Herrschern entreissen sollten. Aber natürlich nicht nur sie hatten dieses Ziel vor Augen, die strategisch und wehrtechnisch verlockende Situation erkannten auch Anjous und Aragoneser. Sicher hatten auch die massiven Befestigungsanlagen ihren Anteil am langen Bestehen ihres Königreichs beider Sizilien, aber dass man sie heute noch so unversehrt vor sich sieht beweist die kluge Ortswahl.

Erst Napoleon hätte die Nuss beinahe geknackt um auch noch den Papst, der hierher geflohen war, zu besiegen. Pius IX war in Gaeta sicher aufgehoben, worauf man hier jetzt noch stolz ist, genau wie auf die unerwartete Schwangerschaft einer jungfräulichen Schwester während seiner Anwesenheit, honi soit qui mal y pense, die ihr geweihte Kapelle ist jedenfalls einen Besuch wert. Letzter Herrscher, der hier Zuflucht in der Not fand, war Franz II auf der Flucht vor Garibaldis Truppen, die Existenz des geeinten italienischen Staates zeigt allerdings, dass Gaeta doch nicht immer schützt.

Muss sie ja auch nicht mehr, heute genügt es schon, dass man von ihr einen atemberaubenden Ausblick geniesst, an klaren Tagen bis zum Vesuv und nach Ischia, beinahe immer zum nahen Ponza, und natürlich auf eine Fregatte der US Navy im ruhigen Hafen die von hier ihre Ohren übers blaue Meer auf die grosse Syrte und die undurchschaubaren Vorgänge in Libyen gerichtet hat. Doch wenn die Winterstürme toben bläst es die Gischt bis hinauf in die vergitterten Wandelgänge der alten Kasematten. Letzter Bewohner einer kleinen Kammer hier oben war übrigens jener Herr Reder, dessen Heimkehr Minister Frischenschlager wegen zu freudiger Begrüssung in Bedrängnis gebracht hatte. Wenigstens genoss der Gast nur den Blick auf die Berge, nach Norden hin hätte er die einladende Abfolge von Sandstränden und malerischen Buchten entdeckt. Hinter dem Torre d´Orlando warten am Stadtstrand bunte Liegestühle auf Badegäste, bevor die Küstenstrasse von Bucht zu Bucht schwingt. Bis, ziemlich unvermittelt hinter einem Tunnel, Passanten und Hinweisschilder die Aufmerksamkeit auf den Urlaubsort von Kaiser Tiberius lenken. Der lud hier zu ausgelassenen Gelagen in seiner spelunca, einer Höhle mit direktem Meerzugang, nicht nur der Nahe Ort Sperlonga sondern wohl auch die Spelunke kamen so zu ihren Namen. Auch ein Museum gibt es zu Besuchen, spektakulärer Blickfang ist eine monumentale Skulptur des grossen Polydoros, welche Odysseus im Kampf mit den Meeresungeheuern Skylla und Charibdis zeigt, ziemlich ausschweifende Partydekoration!

Von der Klippe, auf der Sperlonga liegt, sieht man deutlich den Monte Circeo, er wirkt fast wie eine Insel, so flach ist die Küste zwischen dem Trabantengipfel des Apennin und Terracina. Die Hafenstadt war den Römern interessant genug, ihren Bewohnern bei Übersiedlung in die Hauptstadt das Bürgerrecht zu verleihen, das Imperium gewann im Gegenzug eine erste bedeutende Hafenstadt im Süden. Umgehend liess Zensor Appius Claudius der Blinde die nach ihm zu benennende Via Appia, kerzengerade durch die Ebene ziehen, glaublich gilt sie noch immer als längste gerade Strasse der Welt. Weil es die Römer aber gern warm hatten und bald zur Seemacht aufstiegen, fielen die Wälder in den Bergen der Axt zum Opfer, die von Plinius als fruchtbar beschriebene Landschaft versumpfte, selbst Caesar und Napoleon scheiterten mit ihren Trockenlegungsversuchen. Erst der Duce besiegte Sumpf und Anopheles Mücke, origineller Weise mit dem Plan eines preussischen Offiziers aus dem 19. Jahrhundert, liess die cittá nuove wie Littoria, Sabbaudia und Pontinia anlegen, besiedelte den vormals leeren Landstrich mit Menschen aus dem Norden. Die dankten es dem Duce bis in jüngste Zeit, der erst 2002 gewählte postfaschistische Bürgermeister der nunmehr auf Latina umgetauften Regionalhauptstadt musste erst 2010 einem nach Partei internen Skandal zurücktreten, nachdem er 2005 unbehelligt ein Mussolini verherrlichendes Mosaik im Rathaus anlegen hat lassen.

Unbehelligt von solch prosaischen Alltagsproblemen liegt das Dörfchen Sermoneta malerisch auf dem letzten Ausläufer der Monti Lepini, gekrönt vom Schloss der Caetani. Die kontrollierten von dieser strategisch günstig zwischen Rom und Neapel gelegenen Festung nicht nur ihre kleine Grafschaft, sondern, nachdem die Via Appia wegen der oben genannten Unannehmlichkeiten und lästiger Seeräuberbesuche aus der Mode kam, auch den inneritalienischen Verkehr an der Südküste. Dementsprechend prachtvoll präsentiert sich auch ihr Besitz, zu dem auch die märchenhaften Gärten von Ninfa mit ihren verwachsenen Teichen und den Ruinen einer einst prächtigen, befestigten Siedlung zählen. 1921 legte Gelasio Caetani auf diesem über 100 Hektar umfassenden, lange brach gelegenen Areal mit Hilfe seiner Mutter, der Tochter des ersten Lord of Lathom, einen englischen Garten an, der oft und gerne als romantischster Garten der Welt bezeichnet wird. Nicht minder ansprechend ist aber auch das fast unangetastet mittelalterliche Sermoneta, dominiert vom mächtigen Burgturm.

Umgekehrt geniesst man von diesem natürlich auch prachtvollen Weitblick, genau im Süden versuchen sich hinter dem Monte Circeo die Isole Pontine zu verstecken. Da müssten sie aber zusammenrücken, zwanglos um Ponza herum gruppiert liegen die vulkanischen Eilande gar nicht so weit draussen im funkelnden thyrrenischen Meer, nur das beschauliche Ventotene und die Menschenleere Gefängnisinsel Santo Steffano. Ponza, auf dem den Winter über nur Einheimische die Schönheit und den Fischreichtum genossen haben, putzt sich spätestens für Ostern wieder heraus. Im malerischen Hafen werden die Fassaden gestrichen, Küchen auf Hochglanz gebracht, Tische und Stühle vor die Trottorie und Bars gestellt. Spätestens im August findet man dann hier kaum noch Platz, auch am Strand gehören die Liegen wieder den Gästen aus Rom, Mailand und Neapel. Doch bis dahin geniesst man entspannte Gastfreundschaft und die berühmten Scampi bei Donna Assunta ganz ohne Stress.

 

Homolka sfen 16.01.15 sfen-Latium

Dieser Beitrag wurde am 2015/01/17 um 09:47 veröffentlicht. Er wurde unter gaeta, italien, lazio, ponza abgelegt und ist mit , , , , , , , , , , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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