homolka_reist

wo schnaps und seide fliesst

Die Bezeichnung „Geheimtipp“ beschreibt nur zu oft ein Reiseziel, das einfach nicht über ausreichend Attraktionen verfügt, um von Scharen von Urlaubern heimgesucht zu werden. Oft scheuen sich auch die großen Veranstalter auch nur eine Gegend in ihren Katalog aufzunehmen, weil sie meinen, das was dort angeboten würde reichte nicht aus ihre Charterflugzeuge zu füllen. Manchmal waren es aber auch nur ein paar kleine politische oder verkehrstechnische Veränderungen, welche ein einst durchaus beliebtes Reiseziel aus dem Fokus des Publikums schwinden haben lassen. Thrakien und Ostmakedonien beispielsweise standen vor ein paar Jahrzehnten durchaus noch auf der Wunschliste mitteleuropäischer Urlauber bevor eine, nun ja, etwas unübersichtliche Politik in Südosteuropa und All-inklusive Angebote mit ihren hundertirgendwas99 Kampfpreisen Touristen scharenweise in Retortenresorts und an Massenstrände lockten. Es lohnt aber durchaus auch mal nachzusehen, wo die Traumziele unserer Elterngeneration lagen, vieles von dem, was sie angezogen hat dürfte ja immer noch vorhanden sein.

Wenn es um Österreicher geht spricht man in Alexandroupoli gerne von der „guten alten Zeit“. In den neunzehnhundertachziger Jahren kamen die nämlich in Scharen, mit Auto und Wohnwagen über die Balkanroute, der Campingplatz am Stadtrand gilt als einer der schönsten am Mittelmeer. Auch einige der neuen Gäste erinnern sich gerne an frühere Zeiten, sie kommen zwar in luxuriösen Limousinen vom oberen Ende der Preisliste an, bei ihnen zu Hause schaut´s auch ganz ähnlich aus, doch seit Erdogans strenges Regime herrscht will keine rechte Stimmung mehr im Urlaub aufkommen. „Schau dich um, ist es nicht herrlich hier“ fragt der Fahrer eines Maserati Quattroporte eher rhetorisch, „die ganze Ägäis liegt dir zu Füßen, in den Tavernen lebt die Tradition der Küche von Konstantinopel weiter und auch sonst führt man hier die Tradition des Miteinander weiter die Thrakien schon in osmanischen Zeiten ausgezeichnet hat!“

Tatsächlich stößt man überall auf Zeugen jener Zeit, die Minarette diesseits des Evros sind sogar meist schöner als drüben in der Türkei, einfach weil sie älter und kunstvoll aus Stein gemauert sind, genau wie die byzantinischen Kirchen. Und sich gar nicht so selten, etwa in Komotini, der Hauptstadt der Region Thrakien und Ostmakedonien, auch noch in unmittelbarer Nachbarschaft der alten Synagoge befinden, das gedeihliche Miteinander aller drei abrahamitischen Religionen beendeten erst die mit den Deutschen verbündeten Bulgaren, in der Nacht des 3. März 1943 arretierten sie sämtliche Juden Komotinis und . Nun, beinahe hundert Jahre nach dem im Vertrag von Lausanne vereinbarten Bevölkerungsaustausch, der hunderttausende Türken wie Griechen entwurzelte, die Region Thrakien allerdings dezidiert ausnahm, hat sich die Situation hier wieder normalisiert. So wächst der Anteil „türkischer“, das heißt moslemischer Griechen, während umgekehrt kaum noch Griechen im ehemaligen Mutterland leben. Skuriler Weise haben die Griechen, ganz im Gegensatz zu Kemal Atatürk, ihren Moslems stets gestattet familienrechtliche Angelegenheiten vom zuständigen Mufti klären zu lassen. Bis jetzt, ein neues Gesetz sorgt nun endlich für tatsächliche rechtliche Gleichstellung, vor Allem Frauen, denen die Scharia einen Strich durch ihr Erbe machen wollte wissen das zu schätzen.

Zu erben gab´s hier stets eine ganze Menge, vor Allem wenn die Familie sich mit der Baumwoll- oder Seidenproduktion beschäftigt hatte. Und wenn die Vorfahren gar in Soufli gelebt haben führte daran eigentlich kein Weg vorbei, im 19 Jahrhundert fand sich in beinahe jedem Haus ein Webstuhl, nach der Eröffnung der Eisenbahnlinie von Alexandroupoli nach Edirne errichtete man auch größere Manufakturen. Der Verlust des Landes jenseits des Evros Flusses mit seinen Maulbeerbaumplantagen nach dem Vertrag von Sévres und das Vordringen der Kunstfaser läuteten das Ende des goldenen Zeitalters ein. Wie dieses ausgesehen hat zeigt das Volkskundemuseum der Familie Bourouliti sehr eindrücklich, ganz der Geschichte der Seidenherstellung hat sich das Silk Museum verschrieben, dort staunt man über die unglaubliche Länge des Seidenfadens eines Kokons von fast einem Kilometer und erst recht über das lächerlich geringe Gewicht. Gesponnen wird natürlich noch immer, nicht nur im Museum, auch die Luxusmarkenindustrie hat natürlich diese einzige noch existierende europäische Seidenstadt und ihre exklusiven Gewebe wiederentdeckt.

Nachdem die Maulbeerproduktion die Bauern nicht mehr wirklich ernährt haben sie sich wieder auf andere Produkte konzentriert, für ihre guten Weine etwa sind die Thraker seit jeher bekannt, genau wie für Würste und Fleischwaren. Dafür lassen sie die Finger von Fisch und Vögeln, diese Tiere genießen nämlich das Naturschutzgebiet im Evrosdelta. Insbesondere zu ihrer Hauptreisezeit nutzen Zugvögel gerne das artenreiche Biotop als nahrungsreiche Rast- oder Brutstätte, 314 Arten darf man sich erwarten, von Flamingo über Pelikan und Kormoran bis zu einheimischen Greifvögeln wie dem Seeadler, ein Paradies für Ornithologen und Besitzer langer Linsen.

Sollten Sie zu diesen gehören, Ihr Partner dieser Leidenschaft hingegen nichts abgewinnen können schlagen wir vor von Anfang an einen Abstecher nach Samothraki zu planen, ganz klassisch in einem feinen Haus, ruhig und einsam am in Strandnähe gelegen, am Besten noch mit atemberaubenden Blick über die Ägäis. Genau das hat sich auch Nikos vorgestellt, der das ganze Jahr über in Athen mit seiner Werbefirma abgerackert und deswegen viel zu selten seine Insel gesehen hat. Inzwischen hat er sein Haus gebaut, es ist allerdings nun das Hotel Eroessa geworden, womöglich nur ein Vorwand um möglichst oft vorbei- und nach dem Rechten zu schauen. Oder auch schnell mal in die nächste Bucht zu schauen, wo sich Fotis, ein weiterer in Athen erfolgreicher Geschäftsmann von der Insel, mit der Melmar Winery den Traum vom eigenen Weingut erfüllt hat.

Man kann sie gut verstehen, als Businessmen brauchen sie einen guten Grund auf diese Insel des kontemplativen Müßigganges zu reisen, wir ganz normalen Touristen brauchen den Gottseidank nicht. Noch mehr als die reichlich bekannten ägäischen Inseln verwöhnt Samothraki mit Naturschönheiten, kristallklarem Meer und kulinarischen Köstlichkeiten. Ganz besonderen sogar, die einheimischen Ziegen sind weltweit die einzigen, die ihren Durst mit Salzwasser löschen. So trotten sie täglich von ihren Ställen oben am Berg gemütlich an den Strand, nur um sich am Heimweg ganz selbstverständlich an jenen Kräutern zu laben, welche der Koch ihnen sonst bei der Zubereitung als Gewürze hinzufügen müsste. Da kann man nur noch den Göttern danken, praktischer Weise findet sich dazu auch das passende Heiligtum auf Samothraki, im Tempel der Großen Götter hat man schon Kybele, der Großen Göttermutter, gebührend gehuldigt. Was auch dem gemeinen Touristen nicht schaden kann, Wellness Urlaub für die Seele quasi.

INFO
Aegean fliegt täglich außer Freitag und Sonntag via Athen nach Alexandroupoli www.aegeanair.com, den Fahrplan der Saos II sowie die Möglichkeit online zu buchen gibt es auf www.saos.gr

Das Hotel Alexander Beach liegt nahe der Stadt Alexandroupoli am Strand, verfügt aber natürlich auch über einen Pool und bietet sonst auch alle Annehmlichkeiten! www.alexbh.gr/de

Die Zimmer und Appartements des Eroessa Samothraki Beach Hotel auf der Südseite von Samothraki bietet einen unvergleichlichen Ausblick über die Ägäis, ein idealer Zufluchtsort vor der Hektik des Alltags. www.samothrakibeach.gr/de/

Ostmakedonien & Thrakien Info www.emtgreece.com
Griechische Zentrale für Fremdenverkehr www.visitgreece.gr

THRAKI AUG2019

Dieser Beitrag wurde am 2020/02/04 um 14:08 veröffentlicht. Er wurde unter DIE PRESSE, griechenland, samothraki, thrakien, Uncategorized abgelegt und ist mit , , , , , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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