homolka_reist

annus incredibilis – rondo wuhanese

Wo waren wir stehengeblieben? Nun, jeder woanders, und doch alle am gleichen Ort: Daheim! Jeder fuer sich, schon bald, nachdem ich aus Kreta zurueckgekehrt war fand ich mich im Home Office wieder. Was fuer viele Berufe durchaus eine Alternative war, funktionierte fuer mich natuerlich nicht. Als Portraitphotograph und, unter Anderem, Reisejournalist gehoert eines unabdingbar zum Job dazu: das Atelier, Buero, ja sogar das Land zu verlassen ist die Voraussetzung fuer beide Berufe. Auch shootings im Studio waren Taboo, Interviews ueber Zoom gehen natuerlich, ein Mal habe ich sogar die zum Artikel gehoerigen Portraits ueber den Bildschirm gemacht, das war’s dann aber auch schon. Und saemtliche Pressereisen waren abgesagt oder auf naechstes Jahr verschoben worden. Und nun?

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Ich begann also bei mir im Haus zu Reisen, und zwar zwischen meinem Atelier im Dach – de facto 6. Stock – und dem Keller der noch unter dem Souterrain vom Stoffgeschaeft liegt, minus 2 also. Die Reisetaetigkeit intensivierte sich noch, als ich die Entscheidung getroffen hatte, das „Angebot, das man nicht ablehnen kann“ moeglichst bald anzunehmen. Nachdem mir mein Vermieter naemlich erst mit der Raeumungsklage gedroht und sich, nach kostenpflichtiger Einschaltung rechtsfreundlichen Beistandes, auf einen Vergleich runterhandeln lassen hat, gab es ein Ablaufdatum fuer mein paradiesisches Atelier.

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Also begann ich zu sortieren, vor Allem auszusortieren. Schi? Nix wie weg, wenn’s denn sein muss miete ich welche, sogar die one-off WIENER-sexy-Uschi-Cover Ski Bakery Latten mussten weg. Ein Mitglied des ungarischen National Teams hat sich darueber gefreut, er werde sie gleich naechste Woche ausprobieren, da haette ereinen Job als Renntrainer in Griechenland. Wow, sind die Brettln doch glatt noch vor mir in Hellas aktiv!

Und waehrend rund um mich herum die Baumaschinen begannen den Treffpunkt von U3 und U5 auszubuddeln war der Entschluss, nicht noch mal zehn Jahre auf einer Baustelle biblischen Ausmasses zu verharren, gefasst. Begonnen hat meine „der Homolka beim Komolka“ Geschichte just mit dem Bau der U3, die riesigen Schlitzbagger produzierten taegliche Erdbeben mit Richterwerten, die meine Dunkelkammer erzittern und viele Vergroesserungen kuenstlerisch entschaerft erscheinen liessen. Und hatte ich mein Auto – wow, der 63er Dodge Dart war schon ein Hammer! – mal wieder im sechten Bezirk abgestellt, weil ich die Ueberfahrt in den 7. nicht getroffen hatte, galt es am Morgen erst mal die aktuelle Fussgaengerquerung zurueck zu finden.

Ex post betrachtet ein vergnuegliches Chaos, in Tateinheit mit der Wertminderung der Immobilien durch die Bauarbeiten ergab das eine verlockend niedrige Miete. Und nach Eroeffnung der U-Bahn eine der besten Location Wiens. Was natuerlich Begehrlichkeiten seitens der Eigentuemer weckte, die Mieten in „Bobostan“ stehen jenen im Ersten mittlerweile um nichts nach.

Nix wie weg also, wann, wenn nicht jetzt?! Und wohin? Nun, jeder der mich auch nur ein klein wenig kennt weis die Antwort. Und weil der Fluchtplan offensichtlich auch schon in meinem Unterbewusstsein manifest war, hatte ich anlaesslich der Kreta-Reise die Zwischenlandungen in Athen fuer ein paar Amtswege genutzt. Eine vernuenftige Stimme hatte mir geraten „wenn du was in Griechenland machen willst solltest du vorher sicherstellen, dass dein Steuerkonto keinen Rueckstand ausweist!“ Kluger Einwand, wusste ich doch nicht einmal, ob der alte Lada Taiga – mein Bruder hatte ihn einst im Affekt angeschafft, als ihn das Getriebe seines prachtvollen Lancia im Stich beziehungsweise im Rueckwaertsgang verharren liess – denn noch immer in meinen Namen registriert war. Das alleine haette eine Nachzahlung in Hoehe von mindestens 10.000 Euro und das Ende meiner Plaene zur Folge gehabt.

Also traf ich beim Hinflug eine neu gewonnene Brieffreundin – okay, Facebookbekanntschaft – die mir zusagte, mich bei meinen Bemuehungen zu unterstuetzen. Ich buchte also am Heimweg die frueheste Maschine von Chania nach Athen, departure 7.10, stand kurz nach Acht im Sonnenaufgang vor dem Terminal in der Mesogeia, genoss den Anblick von Bergen, Olivenhainen und Meer sowie schliesslich jenen des heranrauschenden Pajero Pinin mit der atraktiven Chauffeuse.

Als erstes galt es natuerlich – einen Capucino Frento zu nehmen. Und zwar gleich in Kolonaki, dem poshen Bezirk im Zentrum, wo ich auch meine Bankfiliale aufsuchen wollte, um mein Konto wieder zu erwecken. Zu den Daten, welche man als Kontoinhaber anzugeben hat gehoert naemlich auch die Afimi, die Steuernummer. Welche ich natuerlich nicht mehr auswendig wusste. Sollte kein Problem sein, meinen Namen kannte ich ja noch, der arrogante Bankangestellte fand mich allerdings nicht in seinem Computer. Afimi? Eben, die wollte ich eigentlich von ihm. Ob ich einen Mobiltelephonvertrag haette, wollte er wissen. Veveos, aber sicher! Na dann fragen Sie halt einfach gegenueber bei Vodafon nach dem Ausdruck der aktuellen Rechnung, da steht die Afimi-Nummer dann drauf.

Voellig korrekt, wenige Minuten spaeter im Besitz der Afimi retour fand er mich auch gleich, nein, wiedereroeffen koenne er das Konto ncit, dafuer benoetige er: eine ganze Reihe von Nachweisen, manche hatte ich dabei, andere waren de facto unbeibringbar. Mit einer unverstaendliche Liste, was ich naechstes Mal dabei haben sollte entliess er mich/uns. Immerhin konnte er anhand der Nummer und meiner Daten einen Hinweis geben, in den Zustaendigkeitsbereich welcher DOY – Finanzamtsabteilung – ich resortierte. Die Adresse wusste er angeblich nicht, Google Maps natuerlich schon, kurz spaeter standen wir in derSchlange vor der DOY Psychikou am Leoforos Kifisias. Auch das Virus war bereits angekommen, keiner ohne Maske, und zwar Anfang Maerz 2020, da gab’s im entwickelten Nordeuropa noch nicht mal Verschwoerungstheoretiker!

Am Schalter angekommen hiess mich meine kluge Begleiterin zu schweigen, sie stellte sich in meinem Namen vor, der Beamte liess sich von ihrem unverkennlich weiblichen Aeusseren nicht beirren und erteilte, irgendwie doch beeindruckt und/oder abgelenkt, die erwuenschte Auskunft. Und druckte bereitwillig eine Seite voller Reihen und Spalten aus, in jeder davon war eine Null ausgewiesen. Was mienem Schuldenstand entsprach, Entwarnung also, Zeit fuer einen Drink und ein kleines Lunch an der Prommenade von Aghios Spyridon in Porto Rafti. Natuerlich ging die Rechnung, auch wenn ich die archaischen Vorstellungen meiner Chauffeuse hinsichtlich Rollenverteilung noch nicht kannte, auf mich, Honorar quasi.

Kaum drei Stunden spaeter stand ich, immer noch angenehm beschwipst, in Schwechat an der Bushaltestelle, wanderte kurz darauf vom Schwedenplatz ueber den umwerfend schoenen Heldenplatz gen Mariahilf. Wie immer genoss ich es, mich nach einer Dienstreise mit so einem Spaziergang zu kalibrieren, dass es das letzte Mal fuer lange Zeit sein wuerde konnte ich da noch nicht ahnen.

Dieser Beitrag wurde am 2021/01/22 um 11:45 veröffentlicht. Er wurde unter IDIOTIKO, PRIVATE COLLECTION, wien abgelegt und ist mit , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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