Man kann auch mit Hilfe der nunmehr zahlreich über den Äther ausgestrahlten Dokumentationen einen Eindruck der grenzenlosen Gemeinheiten des Ersten Weltkrieges gewinnen, doch nachvollziehbar wird einem der Horror in seinem grotesken Zynismus erst vor Ort. Als Reiseziel bietet sich insbesonders das altösterreichische Dreiländereck rund um Görz und Triest an, nicht nur wegen der hervorragenden Verkehrsanbindung durch die K & K Südbahn.
Für einen Österreicher ist ein Besuch an der Isonzofront einerseits eine veritable Zeitreise, andrerseits schon auch eine Konfrontation mit der schmerzlichen Erkenntnis, welch erschreckend nationalistische Gewaltausbrüche der Todeskampf der Habsburgerdiktatur mit verursacht hat. `Wir´ haben hier, in diesem wunderschönen Land zwischen Alpen und Adria quasi nichts zu suchen, und Slowenen und Friulaner haben sich bislang als weisere Hüter des Landstrichs erwiesen.
Da ist es natürlich tröstlich, wenn man von einem Ungarn begleitet wird, `wir repräsentieren die Verlierer´ stellt Janos uns italienischen und anderen europäischen Kollegen vor. Mir war bislang nicht bewusst, wie ähnlich die Bewältigung des Bedeutungsverlustes bei den Nachfahren der ehemaligen Geschäftspartner abläuft, Phantomschmerzen inclusive, mit magyarischem Humor spricht Janos von der verlorenen gemeinsamen Grenze mit Japan, wenn die Sprache auf virtuelle Gebietsansprüche unverbesserlicher Revanchisten kommt.
Für die Italiener stellt sich die Sache anders dar, die haben ja schliesslich `gewonnen´, wenn auch nicht den Krieg hier, dafür die Verhandlungen danach, wie wir bald in situ werden feststellen können, die Expansionsbestrebungen Mussolinis Richtung Jugoslawien sind den meisten Italienern noch immer unangenehm. Ausserdem kommen die meisten ohnehin aus dieser Gegend, da hat man einen differenzierteren Blick.
Na und die Slowenen schliesslich, die sind sowieso ganz locker, haben sie doch gerade erst ihre Freiheit gewonnen, fühlen sich teils, als Nachkommen ihrer Grosseltern mit österreichischer Staatsbürgerschaft, sehr Mitteleuropäisch, sprechen sowieso italienisch, haben keinerlei Identitätsprobleme. Die K+K Herrschaft ist man losgeworden, weil man für sie gekämpft hat, die Faschisten weil man gegen sie aktiv war, den Kommunismus hat man ausgesessen. Dabei hat man sich nirgends wirklich Feinde gemacht, ist auch schwer für ein so kleines Land, seit zwanzig Jahren kümmert man sich aktiv um gute Nachbarschaft, das macht sich jetzt bezahlt.
In Komplizenschaft mit den Friulanern, konkret den Touristikern von Friaul-Julisch Venezien, da legt man wert darauf, haben die Kollegen der Region Nova Gorica seinen Gästen eine Reihe von Angeboten aufgetischt, die man kaum ablehnen kann. Die kulinarische Assoziation ist hier übrigens nicht ohne Hintergedanken gewählt, wenn man sich den zahlreichen Gedenkorten über die thematischen Wanderwege der „Sentiero della Pace / Pot Miru“ annähert regt das nicht nur die Gedanken sondern auch den Appetit an. Und sowohl geistige wie auch physische Nahrung findet auch der anspruchsvolle Wanderer in dieser abwechslungsreichen Kulturlandschaft reichlich.
Als Einstieg in den `Weg des Friedens´ bietet sich der monumentale Soldatenfriedhof von Redipuglia an, ein atemberaubendes Beispiel nationalen Grössenwahns, 1938 vom Duce eröffnet. Mussolini hat ja sich ja dankbar an der Konkursmasse der Habsburgermonarchie bedient, geographisch wie auch was die angeheizten patriotischen Ressentiments anlangt. Und sich auch gleich die Sprache untertan gemacht, was wie eine Referenz an einen Süditalienischen König klingt ist nichts anderes als die Verbalhornung des slowenischen Flurnamens Sredipolje, wörtlich `Terra die Mezza´, Feld in der Mitte. In dem marmornen Urnenfeld liegen 39.857 namentlich bekannte Soldaten, alphabetisch geordnet, begraben, dazu über sechzigtausend anonyme Gefallene, ein paar Generäle und der Herzog von Aosta in angemessen pompösen Sarkophagen, sowie, als einzige Frau, die Krankenschwester Margherita Orlando.
Unweit dieses Ortes der Heldenverehrung erhält man aber wieder Gelegenheit, sich der viel banaleren, kargen Realität des kriegerischen Alltags zu stellen. In Monfalcone wartet ein `Parco Tematico´ mit Schützengräben, Unterständen und Artelleriestellungen auf interessierte Schlachtenbummler. Was ins Deutsche übersetzt etwas seltsam klingt, erweist sich als wundevoll kontemplativer Weg durch die Geschichte. Durch ein schmales Tunel unter der Eisenbahntrasse gelangt man in einen lichten Wald, während man die Anhöhe gewinnt öffnen sich Ausblicke auf die Industrieanlagen im Hafen an der Isonzomündung, die nebenbei auch gleich klar machen, warum dieser Ort so wichtig für die Kontrahenten waren. Es bedarf nur wenig Phantasie, sich die unmenschlichen Lebensumstände der hier die Stellung haltenden Soldaten auszumalen, nur die üppige Vegetation muss man ausblenden, die wurde zwecks besserer Zielerfassung damals stanta pede gerodet.
Noch weit härter muss der Alltag am Sabotin gewesen sein, einem ausgesetzten Berg am westlichen Ufer der Soca, welcher den Österreichisch-Ungarischen Truppen als Verteidigungs- und Erkundungsposten diente. Sein gesammtes Gipfelplateau ist durchzogen von Stollen und Höhlen, gen Westen blickt man aus den ehemaligen Artelleriestellungen über das Weinbaugebiet von Gorska Breda hinüber auf den Piccolo Collio. An der Ostflanke erkennt man noch deutlich die Installationen der Seilbahn hinunter ins Tal, die den Nachschub sicherstellten. Nach der Eroberung durch italienische Truppen 1916 änderte sich die Zielrichtung natürlich rasch um 180 Grad, an der Lawinengefahr im langen Winter änderte das aber natürlich auch nichts.
Den Frontverlauf kann man sich so immer weiter nach Norden wandernd unschwer ergehen, an vielen charakteristischen oder symbolträchtigen Orten geben kleine, grösstenteils aus Privatinitiative errichtete, Museen Auskunft über die strategische Bedeutung und den Kriegsverlauf. Dabei wird einem erschütternd klar, wie unsinnig diese Unternehmungen zumeist waren, in vier Jahren heftiger Offensiven und hinhaltenden Widerstandes verschob sich die Front meist nur wenige Meter. Bis auf die letzte der zwölf Isonzo Schlachten, da drangen die Habsburger Truppen mit deutscher Unterstützung innerhalb von drei Tagen bis zur Piave vor, gewannen also gut und gerne 150 Kilometer. Verloren jedoch bekanntermassen die folgenden Verhandlungen.
Ihren Ausgang genommen hat diese letzte Offensive übrigens in Kobarid, wie es heute heisst, die Italiener nennen es Caporetto, auf deutsch trägt es den schönen Namen Karfreit. Am Schnittpunkt der wichtigsten Wege durch die Julischen Alpen am Sontig -vulgo Isonzo oder auch Soča- gelegen war es auch Brennpunkt der kriegerischen Auseinandersetzungen vor hundert Jahren. Heute ist es einer der friedlichsten Orte, die man sich vorstellen kann, neben dem Wassersport hat man ganz bewusst die Friedensarbeit in den Mittelpunkt der touristischen Aktivitäten gerückt. Das 1990 gegründete KobariškiMusej ist weit mehr als ein lokales Volksgeschichtemuseum, wird wissenschaftlich kuratiert, und wurde vom Europarat für seine Arbeit ausgezeichnet.
Über dem malerischen Dörfchen thront weithin sichtbar ein protziges Mahnmal, wieder so eine italienische Manifestation nationalen Wahns. Den haben sich die Slowenen beneidenswerterweise erspart, wir Deutschösterreicher hingegen wissen darüber Bescheid, wenigstens die, welche das wollen. Eine Reise auf dem Pot Miru/ Sentiero della Pace/ Friedensweg hilft jedenfalls der Erinnerung auf die Sprünge, und der Umgang der Menschen beiderseits der kaum noch spürbaren Grenze kann man sich durchaus zum Vorbild nehmen. Dass dabei auch lukullische Belohnung winkt können Sie gleich an Hand der Weine von Collio/Gorska Brda ausprobieren, die wachsen und gedeihen auch prächtig ohne Rücksicht auf Ethnien oder Geographie!
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