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Hellas im Glas

Seien wir doch mal ehrlich: zum Griechenlandurlaub gehören Strand, Meer und natürlich der Ouzo als gemeinsamer Aperitif bei Sonnenuntergang! Grund genug, um sich jene Inseln genauer anzusehen, wo er herkommt.

1ouzo_plomari_IMG_0225_©homolkareist.com

Direkt am Meer liegt der Flughafen von Lesbos, am frühen Morgen spiegelt sich die aufgehende Sonne funkelnd im Meer und blendet doppelt. Als Geburtsort des Ouzo gilt gemeinhin Plomari, es liegt etwas abgelegen an der Südküste,fernab der touristischen Zentren, und Lesbos ist immerhin die zweitgrösste Insel in der Ägäis.
Nach gut einer Stunde kurvenreicher Fahrt durch abwechslungsreiche Landschaft stehe ich tatsächlich am Ende einer engen, dicht bewaldeten Schlucht am Hafen von Plomari, dort soll ich Ingenieur Iannis Stergelis treffen, der mir als sachkundige Auskunftsperson empfohlen wurde. Er schaut aus wie ein griechischer Albert Einstein, die knallorangene Latzhose konterkariert die Seriosität, die er als Bauamtsdirektor in Ruhe eigentlich ausstrahlt. Er beginnt seine Führung bei der Fabrik von Isidoros Arvanitis, sein `Ouzo Plomariou´ ist Marktführer unter den Qualitätsouzos. Herrn Arvanitis gibt´s schon lange nicht mehr, „hat ein reicher Athener gekauft“ erklärt der Ingenieur abschätzig, wir begeben uns gleich zu Barbajiannis am Ortsrand. Dort sitzt die Familie noch fest im Sattel, man kann sich auch gleich mit Wegzehrung eindecken, Verkauft wird in der Einrichtung des ehemaligen Duty Free Shops vom alten Athener Flughafen in strengem 70er Retrostil.
Während wir danach durch die engen Gassen der Altstadt zur nächsten Brennerei schlendern, erzählt Kyrie Stergellis von den Seifenfabriken, die im neunzehnten Jahrhundert die Haupteinnahmequelle von Plomari waren, die mächtigen Ziegelbauten untermauern seine Behauptung, neunzig Prozent Exportquote, den Alkohol haben die Italiener quasi nur nebenbei mitgenommen. Und auf die Kisten mit der ersten Qualität „per uso a marsiglia“ gepinselt, damit die beste Ware auch sicher bei ihren Händlern in Marseille landen möge. Seither nennt man dieses Getränk hier nun also dem Vernehmen nach Ouzo und trinkt es am liebsten selbst.

Wir treten in ein kleines Geschäftslokal in einer Seitengasse, auf nicht mehr als sechzig Quadratmetern türmen sich Kisten mit Flaschen, eine Dame beklebt sie händisch mit altmodischen Labels. Der Ingenieur erkundigt sich nach dem Chef, der sei gerade beim Brennen, erklärt Frau Pitsiladis, sie ist die Chefin und zuständig für alle anderen Belange der Geschäftstätigkeit. Sogar der einheimische Herr Stergellis muss nach dem Weg fragen, so versteckt liegt die Produktionsstätte. Am Ende einer noch schmaleren Gasse versperrt ein Stoß Brennholz den Weg bevor dieser ins trockene Flussbett fällt, Herr Pitsiladis mustert uns verschwitzt aus seiner kleinen Kammer. Tatsächlich heizt er den Brenner mit Holz, keine Spur von Automation hat in seinem Reich Einzug gehalten. „Seit 1860“ steht auf seinen Flaschen geschrieben, und tatsächlich hat sich hier seit Anbeginn der organisierten Brennerei nichts verändert, wie der Ingenieur stolz betont. Die daraus resultierende Qualität will er mir in der nahen Ouzerie beweisen, natürlich bei reichlich `Mezedes´, jenen kleinen Häppchen aus Meer und Heide, ohne deren Begleitung sich kein Grieche je dem Alkohol widmen würde. So behält man einen klaren Kopf, den braucht man auch, wenn man noch nach Skala Eressou, am anderen Ende der Insel möchte. Vor dreissig Jahren hatte ich das entlegene Fischerdorf zuletzt gesehen, und möchte nun sehen, ob sein Charme dem organisierten Tourismus zum Opfer gefallen wäre.

Nicht wirklich! Natürlich hat der kleine Hafen des eigentlichen Ortes Eressos, welcher oberhalb des fruchtbaren Mündungsdeltas geschützt am Berghang liegt, sich ein wenig verändert, sogar fremdsprachige Zeitungen bietet der Kiosk hier am andern Ende der Insel, weit von der Hauptstadt entfernt, an. Hinten in der Lagune steht jetzt ein Hotel, relativ dezent im Schilf versteckt, auch ein paar mehr Tavernen und Bars beleben den Ort. Doch die Atmosphäre ist geblieben, noch immer ist der Geburtsort der antiken Dichterin Sappho offensichtlich beliebter Urlaubsort bei deren Anhängerinnen- weiblichen Pärchen.
Beeindruckend ist die Entwicklung die Methymna genommen hat, jene alte Hafenstadt im Nordwesten, die malerisch unter der mittelalterlichen Burg kauert. Sehr städtisch hat sie schon damals gewirkt, man spürt, dass dank der nahen kleinasiatischen Küste hier immer reger Handelsverkehr geherrscht haben muss, doch bei meinem letzten Besuch vor einem viertel Jahrhundert sah sie doch deutlich desolater aus. Schon schön, aber halt auch eindeutig nicht mitten im Leben. Das hat sich aber ordentlich geändert, reger Besucherstrom wogt durch die Stadttore, und unten im Hafen drängen hungrige Horden in die Tavernen. Dafür haben sich Qualität und Vielfalt der Küche unglaublich verbessert, wie übrigens überall in Hellas.

Auch wenn die stolzen Lesbier behaupten, nur bei ihnen würde richtiger Ouzo gebrannt, sicher nicht drüben bei den Nachbarn auf Chios, steche ich doch vom Hafen der geschäftigen Hauptstadt Mytilini in See, um diese Behauptung zu überprüfen, ausserdem werde ich von dort abfliegen. Weit ist es ja nicht, knappe drei Stunden an der kleinasiatischen Küste entlang, welcher die Inseln hier in alter Zeit ihren Reichtum verdankten. Die angesehensten Kapitäne residierten auf Chios, sogar Christoph Columbus hat sich extra her bemüht, um an ihren Erfahrungen zu partizipieren und vor Königin Isabella zu renommieren, so bekannt war Chios, seine Bewohner und ihre Wohlhabenheit seinerzeit. Doch nicht nur der Seefahrt war dies gedankt, vor Allem hat ein weinender Baum Chios zu einem gefragten Geschäftspartner gemacht, von den Genuesern bis Byzanz reichen die Schutzmächte, selbst die Osmanen haben eher auf Diplomatie denn auf Gewalt gesetzt, um an die Schätze der Pistacia Lentiscus Sträuche zu kommen. Die gemeinhin als Mastihabaum bekannte Pflanze wächst zwar nicht nur hier, doch das aus der eingeritzten Rinde tropfende Harz bildet nur auf Chios jene festen Klumpen, die eine Verarbeitung möglich machen. Und das auch nur im Süden, hat angeblich mit der mineralischen Erde zu tun, genau weis das Keiner, schon gar nicht die Türken, die drüben an der Küste natürlich schon längst Versuche laufen haben, wie die Mastihabauern amüsiert erzählen. Denn teilen wollen sie das gute Geschäft natürlich nicht gerne, aus den Früchten ihrer mühsamen Arbeit auf allen Vieren unter den niedrig hängenden Ästen werden in der Manufaktur der Genossenschaft gefragte Grundstoffe für die pharmazeutische Industrie hergestellt.

Man kann Mastiha aber auch einfach der Nahrung beigeben, es hat einen feinen Geschmack und wirkt wohltuend auf Magen und Verdauung. Damit ist es selbstverständlich prädestiniert um auch zum Beispiel Ouzo bekömmlicher zu machen, und dem Geschmack schadet´s auch nicht, sorry liebe Lesbier! Auch den türkischen Touristen scheint´s gut zu schmecken, die kommen zahlreich mit der unentwegt verkehrenden Fähre von Cesme herüber, keine zehn Seemeilen entfernt. Die, nicht ganz einfache gemeinsame Geschichte lässt man hier gerne aufleben, hat das Hamam in Chios schön renoviert, die Moschee und der osmanische Friedhof kommen demnächst dran, sobald es halt die finanzielle Situation zulässt. Um die individuell zu verbessern sieht man vor fast allen Tavernen Tafeln, auf denen die Spezialitäten des Hauses in türkischer Sprache angepriesen werden, wer des Griechischen mächtig ist wird feststellen, dass die meisten Gerichte eigentlich die gleiche Bezeichnung tragen. Das merken natürlich auch die Betroffenen selbst, von den angeblichen Spannungen zwischen den beiden Völkern ist hier jedenfalls nichts zu bemerken, die Türken geniessen hier einfach die berühmte griechische Gastfreundschaft, und das sollten Sie auch tun!

6ouzo_xio_IMG_0403_©homolkareist.com

Kalo Taxidi!
Attika Reisen bietet wöchentlich Direktflüge nach Lesbos und Chios an, mit Niki geht´s zwei mal die Woche nach Lesbos, weiter nach Chios mit einer etwa zweistündigen Seefahrt. Ab etwa 300,- Euro gibt´s den Flug, die Unterkunft dazu lässt sich bei Attika ganz individuell aus mehr als einem Dutzend Möglichkeiten wählen.
www.attika.de

Kali Nikta!

Lesbos
Olive Press nennt sich das zauberhafte Haus in Mythimna direkt am Wasser, dass die Oliven hier industriell gepresst wurden lässt der von weitem sichtbare Schornstein ahnen, auch war weniger Öl als Seife das Endprodukt. Die Anlage verfügt also über loftigen Charme, und weil die Fabrik aus logistischen Gründen direkt am Ufer steht, ist´s ins Meer auch nur ein Katzensprung!

Chios
Das `Archontiko Riziko´ liegt, wie es sich für ein altehrwürdiges Herrenhaus gehört, von einer hohen Mauer beschützt inmitten der üppigen Citrus- und Olivenplatage. Das Frühstück geniesst man im Schatten eines riesigen Baumes neben dem alten Brunnen, die Zutaten stammen ausschliesslich aus lokaler Produktion. Doppelzimmer kriegt man ab 68,- Euro die Nacht!
www.chios-riziko.gr

Kali Orexi!

Mesaionas
Am Stadtplatz mitten im Zentrum des historischen Mastihadorfes Mesta serviert Despina Sirimi seit 21 Jahren traditionelle Küche nach alten Familienrezepten. Beliebt aber auch gefürchtet ist der `Souma´ aus eigener Erzeugung, der Feigenschnapps verführt zur Überdosierung.
Plateia Mestas, +3022710 76050

The Captain´s Table
Im Hafen von Mythimna -oder Molivos, wie´s neuerdings offiziell heisst- reiht sich eine Taverne an die nächste, wirklich schlecht ist keine. Aber Theo´s Captain´s Table gilt unumstritten als erstes Haus am Platz, er kriegt auch immer den besten Fisch. Kein Wunder, seinem Schwiegervater gehört der Fischkutter! Und Theo macht draus auch immer etwas besonderes, dringend empfohlen sei an dieser Stelle der Kapitänsteller für Zwei.
Limani Molivoy, +3022530 71241

Dieser Beitrag wurde am 2014/05/05 um 10:48 veröffentlicht. Er wurde unter chios, ESSEN&TRINKEN, griechenland, inseln, lesbos, voreio egeio abgelegt und ist mit , , , , , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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