homolka_reist

genuss zu füssen des vulkans

„Mir war klar, mit 40 möcht ich am Meer leben!“ Wer will das nicht? Günther Wetzelhofer hat seinen Plan allerdings durchgezogen, etwas, was die meisten von uns nicht geschafft haben. „Am schwierigsten war es, den perfekten Platz zu finden“, erzählt er von seinen Problemen, als Profi im Reisebusiness hatte er ziemlichen Überblick was Sehnsuchtsorte weltweit anlangt, hatte auch schon den einen oder anderen Favoriten, doch, wie heisst es doch so treffend, wer die Wahl hat die Qual.

Aber da war auch noch Sizilien auf dem Radar, eine kurze Nachschau gab den Ausschlag, italienisch genug, und dann auch wieder nicht, hier spürt man schon den Maghrebinischen Einschlag, der Sizilianer sei legerer im Umgang, meint Wetzelhofer. Na und das Wetter, das trägt natürlich auch sein Teil bei zum Wohlbefinden, zu seinem und jenem der Sizilianer. Was er nicht gleich zugibt, aber spätestens beim ersten Besuch in seinem prachtvollen Palazzo Asmundo offensichtlich wird: das überreiche Angebot an phantastischen, frischen, reifen Lebensmitteln war ganz offensichtlich auch ein überzeugendes Argument für die Wahl seines neuen Lebensmittelpunktes.

Das historische Palais liegt im Herzen von Catania, vom Dach sieht man den manchmal rauchenden Gipfel des Etna, hört die regelmässig läutenden Glocken der nahen Kathedrale sehr deutlich, riecht das Meer, wenn der Wind richtig weht. Das alles funktioniert aber erst, seit das Dach repariert ist, es war fast völlig eingestürzt, aber genau deswegen gestattete das Denkmalamt nach langem Überlegen die Terrasse und jenen kleinen Ausbau, in welchem Wetzelberger seine privaten Gemächer untergebracht hat, sowie eine knapp geschnittene wiewohl perfekt ausgestattete Küche.

Er kocht nämlich gerne, auch für jene Gäste, die in einer der Suiten in den zwei Etagen darunter in royalem Ambiente absteigen dürfen, man fragt sich, wie Wetzelberger zu Lebzeiten eine derart komplette Sammlung scheinbar genau für diesen Ort gedachter Antiquitäten, Skulpturen und Stichen zusammen gebracht hat. Passt alles perfekt, die Renovierung wird nun akribisch finalisiert, es fehlt nur noch ein neues Tor zur Strasse, ist in dieser monströsen Grösse schwer zu finden, schon schönes Holz dieser Dimension ist schwer aufzutreiben.

Bis dahin betritt man den Palazzo durch eine kleine Tür im riesigen Blechtor, beziehungsweise man verlässt den gastlichen Orte, und tritt hinaus auf die schmale Via Gisira, eigentlich die Rückseite des Palais, vorne wäre die repräsentative Geschäftsstrasse Via Garibaldi. Aber in der Gesira spielt die Musik, und zwar in Form der anpreisenden Rufe zahlloser Marktfrauen, Viktualienhändler und Wurstverschleisser, dicht drängen sich die Stände vor einschlägigen Läden, hier zeigt Sizilien, was seine Erde alles hervorbringt. Und zwar das ganze Jahr lang, zu jeder Zeit biegen sich die Tische unter üppigen Bouquets frischen Gemüses, grellgelber Zitronen, zwischendurch saisonale Highlights wie wilden Artischocken und zarten Spargelstangen. Doch das Beste kommt erst!

Dort, wo bis zum verheerenden Ausbruch des Etna 1669 die Porta Uzeda direkt aufs Meer hinaus führte, liegt etwas beengt zwischen Dom und Eisenbahnviadukt mit dem Mercato del Pesce das eigentliche Nervenzentrum der Stadt. Von einer Art Galerie herab beobachten und kommentieren sachkundige Kiebitze die Qualität der pausenlos angelieferten frischen Scampi, welche aus riesigen weissen Bottichen im Handumdrehen kiloweise im Minutentakt verkauft werden. Etwas gemächlicher läuft das Geschäft in einem dunklen Gewölbe ab, wo gewissenhaft mächtige Scheiben von ganzen Thunfischen gesäbelt werden, noch bedächtiger wird draussen auf der anderen Seite mit den Eiern der Seeigel umgegangen, für diese Delikatesse muss man sogar hier etwas tiefer in die Tasche greifen, tut man aber gerne, so unmittelbar und frisch bekommt man das feine Aroma des Meeres sonst kaum wo angeboten. Für die Fischer ist das natürlich kein Argument, die waren die ganze Nacht draussen auf See, deswegen zieht es sie am späteren Vormittag, wenn der Fang geliefert ist, auch zu einem improvisierten Kiosk unter dem Viadukt. Dort fischt Gennaro pralle Sanguinacci aus seinem brodelnden Topf, kleine blau schimmernde Blutwürste, oder Kuttel, zerteilt sie flink mit dem großen Messer auf der Buddel, gegessen wird mit Zahnstochern, Hauptsache, das Zeug ist noch heiss.

Wie stark der Aetna den Charakter Catanias immer wieder verändert hat lässt sich sehr schön sehen, wenn man am alten Ufer entlang zum Castello Ursino wandert, heutzutage steigt man die steile Via Scuto hinauf. Thronte es früher majestätisch auf einem Felsen hoch über dem Meer so liegt es nun umgeben von Neubauten -aus dem siebzehnten Jahrhundert, wohlgemerkt – mitten in der Stadt, die Trasse der Ferrovia Circumetnea bohrt sich gleich daneben ins Lavagestein und wird zur U-Bahn, da und dort sind auch die Stufen zum Eingang eines Hauses aus dem schwarzen Stein heraus gemeißelt. Immerhin hat der Strom flüssigen Gesteins das Castello ausgespart, eine Gnade, die dem Römischen Amphitheater nicht zu teil wurde. Dessen beeindruckende Grösse kann man nur erahnen, ein winziger Ausschnitt ist auf einem Platz mitten in der Stadt zu bewundern, mehr als neunzig Prozent sind verschwunden. Dafür versteht man dort endlich, warum man in dieser Stadt von West nach Ost permanent bergauf oder bergab geht, obwohl der Berg doch im Norden steht, man muss einfach immer über den erstarrten Lavakegel klettern.

Man kann aber auch die Direttissima nehmen, hinauf gen Gipfel, der Weg heisst passender Weise Via Etnea, und sich dabei durch sizilianische Süssspeisen hocharbeiten. Cannoli bei Nonna Vicenza, Torrone bei den Pasticcerie Riunite, eine Cassata bei Savia. Als Gipfel der Genüsse gilt hier aber natürlich das Sorbetto, auch so eine arabische Erbschaft, doch dafür nimmt selbst der Catanese gerne einen Umweg in Kauf. In die einzigartige Barockstadt Noto etwa, ins Caffé Sicilia, dort gibt es das Beste, da sind sich die Sizilianer ausnahmsweise mal einig.

SCHLAFEN
Hotel di Charme Palazzo Asmundo, Via Gesira 40, Catania, Tel. +39 095 0933009
Das Haus verdient seinen Beinamen, charmant und stilvoll sind die 4 Zimmer und die Suite eingerichtet, gleichzeitig erfüllen sie alle Erwartungen an zeitgemässes Wohnen. Das Frühstücksbuffet, serviert in der Salonküche oder auf der Dachterrasse lässt keine Wünsche offen, auf Wunsch wird auch Mittags oder Abends ganz vorzüglich aufgekocht, natürlich mit dem frischen Angebot des Tages vom Markt vor der Türe. http://www.palazzoasmundocatania.com

SCHLEMMEN
Osteria Antica Marina, Via Pardo 29, Catania; Tel. +39 095 348197
Der Wunsch nach Ricci di Mare wird lautstark nach draussen weitergegeben, kurz darauf reicht der Fischhändler die Ware direkt vom Stand ins Lokal. Selbstverständlich ist auch alles weitere frisch vom Markt, draussen im Schanigarten sitzt man mitten im Geschehen, drinnen in familiärer Atmosphäre und fühlt sich nicht so sehr als Tourist.

SCHLECKEN
Pasticeria Gelateria Caffé Sicilia, Corso Vittorio Emanuele 125, Noto, Tel +39 o391 835013
Unscheinbar wirkt dieser Tempel Sizilianischer Süssspeisenkultur auf den ersten Blick, mitten unter den Juwelen des sizilianischen Barock. Doch was aus der Werkstatt kommt, stellt alle anderen Konditoreien der Insel eindeutig in den Schatten: nicht eine, DIE Cassata schlechthin, kunstvoll konstruiert mit perfekten kandierten Früchten, unvergleichliche Sorbets, ganz klassisch aber auch von süssen sizilianischen Tomatini mit einem Kern aus Frühlingszwiebeleis. Nicht wundern, probieren!

SCHUNKELN
Ferrovia Circumetnea
Seit Eröffnung der Metro verkehrt die Schmalspurbahn rund um den Aetna nicht mehr vom Hafen aus, man steigt in der Station Borgo einfach um. Die Strecke mit einer Spurweite von 950 mm und einer Gesammtlänge von 110 Km verbindet seit 1895 die Orte am Abhang des Vulkans, an der Endstation in Riposto, 28 Km nordöstlich vom Ausgangspunkt endet sie wieder am Meer. Die Website der Betreiberfirma FCE gibt erschöpfend Auskunft über den Fahrplan, ihr weitere Informationen zuentlocken gestaltet sich schwierig, zumal wenn man des Italienischen nicht mächtig ist. http://www.circumetnea.it
sizilien_fertig.pdf

Dieser Beitrag wurde am 2014/11/10 um 18:03 veröffentlicht. Er wurde unter catania, ESSEN&TRINKEN, italien, sizilien abgelegt und ist mit , , getaggt. Lesezeichen hinzufügen für Permanentlink. Folge allen Kommentaren hier mit dem RSS-Feed für diesen Beitrag.

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