Erhält man als bekennender Kreuzfahrtskeptiker eine Einladung auf die Arosa Riva stellt sich natürlich die Frage ob man diese annehmen soll, geht es konkret um eine Reise unter dem Titel „Gourmetkreuzfahrt“ mit dem Ziel Wien, der Heimatstadt des Autors, ergibt das ein veritables Dilemma. Andrerseits sollte man als halbwegs ernsthafter Journalist ja sowieso niemals etwas verurteilen wovon man de facto keine Ahnung hat. Dazu kommt die Aussicht auf eine lang ersehnte Fahrt durch einen der schönsten Abschnitte der Donau, die Schlögener Schlinge. Dort hat sich der Fluss tief in den Fels eingeschnitten, in engen Serpentinen zwängt er sich durch den Granit des Mühlviertels, so kurvig und wild wie hier gibt sich die Donau sonst nirgends.
Also nichts wie ab nach Engelhartszell, die pittoreske Gemeinde liegt ein paar Stromkilometer unterhalb der letzten Schleuse auf bairischem Gebiet, einschiffen tut man sich im Ortsteil Engelszell, von den 132 Einwohnern -Stand 1. Jänner 2019- leben gerade noch 4 Mönche im riesigen Trappistenkloster. Das wäre zwar, genau wie die Ausgrabungen einer römischen Limesstation einen Besuch wert, geht sich aber leider heute nicht aus. Wenigstens macht der rührende Chauffeur des Postbusses der mich als einen von insgesamt zwei Passagieren von Linz hierher gefahren hat einen kleinen Umweg so dass wir den Prachtbau des 1293 als Cella Angelica Stiftes aus der Nähe bewundern können. Und weil er auch danach keinen Wert auf die Einhaltung der genauen Fahrtroute legt – wozu auch, mit zwei Passagieren? – öffnet sich die Bustür kurz danach direkt vor der Anlegestelle Arosa Riva.
Die Kabine liegt im Souterrain, pardon, Sott Aqua, ein erster Blick aus dem Fenster wird von ein paar arroganten Schwänen von oben herab erwidert. Interessante Perspektive. Erste Erkundung des Schinakkels, das riesige Oberdeck steht voller Liegestühle, vorne ragt die kreisrunde Brücke wie eine Bar aus dem Dach, ein dickes Seil lässt keinen Zweifel daran, dass da vorne gemeine Passagiere nichts zu suchen haben. Dafür dürften sich die mit lustigen Deckspielen die Zeit vertreiben die mir bis dato, bis auf das hier korrekt rechteckige, schmale Putting Green, unbekannt geblieben sind. Und es auch bleiben werden, so weit darf ich schon mal vorgreifen. Aber der weiche Kunstrasen verleitet zum Verweilen, einer der zuvorkommenden Stewards aus Südostasien oder -europa fragt nach Getränkewünschen, gerne, Rotwein, nein, Zweigelt nicht, auch wenn er aus der Gegend kommt die wir durchschippern werden. Alternative wäre der Arosa Hauswein aus Südafrika, passt perfekt ins Konzept auch wenn hier kein Ost bei der Herkunftsbezeichnung mitspielt.
Zu meiner Überraschung gelingt die Drehung des Schiffes ohne Uferkontakt, ziemlich lang wirkt so ein Kahn wenn er in der Donau quer liegt, schließlich ist die hier oben zwischen Mühl- und Innviertel noch pubertierend schmal, erst nach Linz, wo die Abflüsse des Alpenvorlandes münden wird sie zum patriotisch besungenen wenn auch kaum blauen Strome. Wobei: gerade jetzt an diesem einem der letzten strahlenden, sich langsam neigenden Spätherbsttage borgt er sich ein wenig Azur von oben und sieht wirklich prächtig aus. Nur ein bisschen schmal eng noch, dafür kommen die steil und hoch ansteigenden Ufer hervorragend zur Geltung auf denen Burgen wachen zwischen denen das Schiff nun mühelos bergab gleitet. Bis ein paar hundert Meter vor ersten Biegung der Schlögener Schlinge, da kündet leicht gesteigerter Motorenlärm davon, dass der Kapitän das achtzehnhundert Tonnen verdrängende Wasserfahrzeug gerade in die korrekte Fahrtrichtung zu steuern beginnt.
Gleichzeitig erschallt der Ruf zur Sicherheitsübung aus den Bordlautsprechern, zur Unzeit, wie man sagen muss. Ausgerechnet jetzt, wo der schönste Teil der Reise beginnt? Bitte nicht verraten, ich hab´s geschwänzt, nur zugehört, ansonsten die beeindruckende Umgebung genossen. Man möcht´s kaum glauben, doch auf ihrer gesamten schiffbaren Länge von gut zweieinhalb Tausend Kilometern schaffte die Donau keine zweite derart verschlungene Talschaft aus der Landschaft zu schürfen, einer Passstraße gleich windet sie sich durch die Felsen. Während der Himmel sich vom Dunkel- ins Blauschwarze wandelte zogen aus Osten Nebelschwaden durch die Schluchten, Special Effects in einem aufwendig produzierten Film gleich während die Ufer sich in totale Dunkelheit hüllten. Nur ab und an leuchteten ein paar Häuser den Weg, in Niedermühl erinnerte die vergessene bunte Beleuchtung eines Gastgartens an die Ausgelassenheit des Sommers. Von dem war nun nicht mehr viel zu spüren, gut, dass genau da zum Abendessen gerufen wurde.
Und weil nun mal anlässlich der Gourmet Kreuzfahrt ganz etwas Besonderes auf den Tisch kommt zahlt es sich aus zeitgerecht an jenem zu sitzen. Nicht, dass das Standardbuffet zu wünschen übrig ließe, ganz und gar nicht, das Dutzend Köche aus aller Welt versteht seinen Job. Doch diesmal dürfen sogar sie noch was lernen, vom 2-Steren-Koch Andreas Senn nämlich, der als einer von drei Gastköchen sein Gourmet Menü servieren wird. Sind es in seinem eigenen Restaurant „Senns“ in Salzburg ganze 30 Gedecke die er zu bereiten hat stehen heute 150 Menüs am Programm und die gesamte Brigade der Arosa habt acht um die anspruchsvolle Aufgabe zu meistern. Das ebenfalls nicht zu unterschätzende Platzproblem an Bord wird kurzerhand durch die Fertigstellung der lustvoll dekorierten Tapa-artigen Gerichte am Achterdeck, mit militärischer Präzision werde in kürzester Zeit kleine Kompositionen auf den unzähligen Tellern
angerichtet.
Den Anfang macht ein Kopfsalat Gazpacho mit Kürbis dessen chlorophylgrün jede Erinnerung an die graubraune Pampe meiner Kindheit verblassen ließ, stattdessen den erfrischenden ersten Akt eines, wie die Tischnachbarin meinte, „feschen“ modernen Menüs gab. Auch der nächste Gang zitierte ein Gericht aus der Vergangenheit, die Fjordforelle mit Karfiol und Apfel kam optisch als Schinkenrolle zu Tisch, g_ttseidank gab sie sich geschmacklich ganz konträr, nämlich klar und spritzig, wobei der Karfiol in dreierlei Konsistenz quasi die kurzweilige Begleitmelodie gab. Noch weiter von ihrer natürlichen Erscheinungsform entfernt sich der Sepia im dritten Akt, der knackige, schwarze Chip liefert volles, staubtrockenes Aroma kontrastiert vom knallgrünen intensiven Gurkengeleé, im Ajo Bianco Schaum darunter hält dann doch noch ein winziges Tintenfischfüsschen die Geschichte vom Meer am köcheln.
Von dem Topos entfernt sich der vierte Gang entschieden, ein Risotto mit Eierschwammerl holt uns auf den Waldboden zurück und komplementiert damit auch den Umstieg zum Rotwein aus der Thermenregion. Das Thema nimmt auch die Heidelbeere auf die sich als luftiger Schaum wie auch in ihrer Urform perfekt mit dem im Parmesanfond al dente gegarten Risotto versteht. Das man auch als Ouvertüre zum Short Rib vom Black Angus „a la Stroganoff“ als nächstem Gang verstehen kann, das, begleitet von Soufflé und karamellisierter Zwiebel, mit seinen dichten Aromen lange nachhallt. Und erst vom Dessert, einem Trio von Sauerklee Sorbet, schwarzem Reis Panna Cotta und Marillen in 3 Aggregatzuständen, behutsam eingefangen wird.
Dass es gar nicht so einfach ist, den Standard seines Restaurants auch in der beengten Kombüse der Arosa Riva auf die Tische zu bringen erkennt man nur an der Tatsache, dass die Gerichte mit geradezu artistischem Geschick auf den Tischen des offenen Achterdecks fertig gestellt werden, zu schmecken ist von der Improvisation jedenfalls nichts. Auch die Brigade von Andreas Senn scheint mit dem Ergebnis recht zufrieden gewesen zu sein, jedenfalls hat sich die Nachbesprechung mit der Bord Crew am Achterdeck noch einige Zeit hingezogen, während das eine oder andere Glas aus Sommelier Christian Buddes Vorräten den Weg ans Heck fand zogen am Ufer die letzten Dörfer der Wachau Stromaufwärts vorbei während die Arosa, Schleuse für Schleuse herabsinkend, näher an Wien herantrieb. Wo anderntags Dirk Seiger vom „Buddenbrooks“ in Travemünde ein nicht weniger beeindruckendes Menü servieren und Patissier Oliver Edelmann einen perfekten Apfelstrudel ins Rohr schieben sollten.
Womit die Rederei aus Rostock an der Ostsee zu meiner Überraschung bewiesen hätte, dass man auch auf einem Schiff durchaus österreichisch genießen kann, auch wenn mir beim passieren etlicher ausgezeichneter Restaurants am Weg der eine oder andere freie Abend mit Landgang zupass gewesen wäre, Bachers Landhaus etwa wäre in Rufweite gewesen. Immerhin haben wir mit dem Weinbaubetrieb Hirsch im Kamptal einen der besten seiner Zunft besucht, einige andere haben uns an Bord besucht, viele waren immerhin mit ihren Flaschen auf unserem Tisch zu Gast. Und dann war da noch Wien, sie werden verzeihen, wenn ich mich dazu kurz halte. War auch der Besuch des Stephansdoms dank hervorragender Fremdenführung eine echte Bereicherung so war es mir doch nicht vergönnt die Tatsache, dass ich hier heimisch bin ganz unter den Tisch fallen zu lassen. Weshalb ich Sie, liebe Leser, in Sachen Wien auf das demnächst erscheinende „ICONIC FOOD“ verweisen möchte, dort finden Sie reichlich Informationen zur Stadt und ihrer Küche. Sie müssen Wien dann allerdings auf eigene Faust erkunden und können sich nicht in der Gruppe verstecken. Aber vielleicht wollen Sie das ja ohnehin nicht.